1. Staatliche Neutralität hinsichtlich Religionen wie Weltanschauungen und der säkulare Rechtsstaat garantieren das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Gesinnung. Die säkulare Tradition der SPD kann hier anknüpfen. Wie wichtig ist politische Säkularität, die Religionen weder diskriminiert noch privilegiert?
In einem multikulturellen, multiethnischen und multireligiösen Land wie dem unsrigen ist Säkularität enorm wichtig, da der Staat und staatliche Institutionen immer neutral gegenüber den Religionen auftreten sollte. Dies bedeutet nicht, dass Staat und Religion komplett getrennt sind wie in Frankreich, aber Glaubensrichtungen inklusive dem Nichtglauben, also Atheismus sollten weder diskriminiert noch privilegiert werden.
2. Respekt und Toleranz sind Grundwerte unserer Demokratie, die insbesondere von der Sozialdemokratie erstritten wurden und verteidigt werden. Verdienen Angehörige aller Religionen, soweit sie sich an das Grundgesetz und die allgemeinen Gesetze halten, den gleichen Respekt und gilt dieser Respekt in gleicher Weise auch gegenüber den Menschen, die sich zu keiner Religion bekennen?
Die ersten Artikel 1 bis 4 des Grundgesetzes machen unmissverständlich klar: Der Staat und seine Organe haben grundsätzlich allen Menschen mit Respekt zu begegnen, unabhängig ihres Glaubens. Diese Bestimmungen gehören zu den entscheidenden Fundamenten unseres Staates und unserer Gesellschaft und sind daher unbedingt zu achten und durchzusetzen.
3. Seit über 100 Jahren erhalten die kirchlichen Organisationen aus allgemeinen Steuermitteln hohe staatliche Leistungen für ihre hauptamtlichen Mitarbeiter (Kardinäle, Bischöfe, …). GG Artikel 140 (entspr. Art. 138 WRV). Werdet Ihr Euch dafür einsetzen, diese Leistungen abzu-schaffen oder zu reduzieren?
Ja, diese Staatsleistungen gehören abgeschafft, wie es auch in der Weimarer Verfassung bereits angelegt ist und wie es die Kirchen selbst ja sagen. Es ist nicht begründbar, warum die Koalition (genauso wie vorherige Koalitionen) in dieser Frage nichts tut. Eine überfraktionelle Arbeitsgruppe der demokratischen Fraktionen im Bundestag sollte hier einen Lösungsvorschlag erarbeiten, um den Auftrag des Grundgesetzes umzusetzen.
4. Kirchliche Einrichtungen erhalten für den Unterhalt von Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern … bis zu 100 Prozent staatliche Unterstützung. Werdet Ihr Euch dafür einsetzen, dass sie künftig mit anderen sozialen Einrichtungen, wie z.B. Arbeiterwohlfahrt, Rotes Kreuz gleichgestellt werden?
Wenn es eine Bevorzugung kirchlicher Träger bei sozialen Einrichtungen finanzieller oder anderer Art gibt, dann gehört diese abgeschafft. Eine Gleichstellung der sozialen Träger von Staatswegen muss garantiert sein.
5. Die Kirchen beanspruchen für sich ein eigenes Arbeitsrecht und halten sich beispielsweise bei Einstellungen und Entlassungen nicht an die allgemeinen Gesetze. Werdet Ihr Euch für die Durchsetzung der staatlichen Gesetze auch in religiösen Einrichtungen einsetzen?
Auf jeden Fall. Die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes und anderer Gerichte machen Hoffnung, dass wir die Diskriminierungen in diesem Bereich abbauen können.
6. Werdet Ihr Euch dafür einsetzen, dass auch Missbrauchsfälle in den Kirchen primär der staatlichen Ermittlung und Rechtsprechung unterliegen müssen?
Missbrauchsfälle müssen durch die Staatsanwaltschaften verfolgt werden. Der Rechtsstaat hat die Aufgabe, geschehenes Unrecht zu verfolgen und aufzuarbeiten. Das entbindet die Kirchen nicht von einer internen kirchlichen Aufarbeitung. Es muss alles getan werden, um den Opfern zu helfen.
7. Werdet Ihr Euch für die Einführung eines gemeinsamen integrativen, kundig machenden Unterrichts über Religionen/Weltanschauungen, Ethik und kulturelle Normen an allen Schulen einsetzen?
Grundsätzlich halten wir die Idee eines solchen Unterrichts über Religionen, Weltanschauungen, Ethik, aber auch Philosophie und philosophisch-ethische Fragen für richtig. Da Bildungsangelegenheiten Ländersache sind, wäre allerdings zu prüfen, inwieweit eine solche Forderung in den einzelnen Ländern umgesetzt wird.
8. Werdet Ihr Euch beim Bundesparteitag für die Einrichtung eines offiziellen Arbeitskreises Säkulare in der SPD als Ergänzung zu den bestehenden AKs der Christen, Juden und Muslime einsetzen, um die aufgeworfenen Fragen in einem offenen Dialog zu diskutieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten?
Ja! Wir sehen keinen Grund, warum es nicht auch einen Arbeitskreis für Säkulare und Humanisten geben soll, gleichberechtigt zu den konfessionellen Arbeitskreisen der SPD.