Dass die SPD einmal eine dezidiert religions- und kirchenferne, säkulare Partei war, ist wenig bekannt. Wer – wie wir säkulare Sozialdemokraten – davon überzeugt ist, dass die SPD wieder mehr Säkularität wagen sollte, um endlich auch dem konfessionsfreien Drittel der Bevölkerung ein politisches Angebot zu machen, um das sozialdemokratische Profil gegenüber den Christdemokraten zu schärfen, um gesellschaftliche Integrationsprobleme zu entschärfen und um insgesamt für mehr Gerechtigkeit und Transparenz in Religions- und Weltanschauungsfragen zu sorgen, sollte sich zuerst mit der Geschichte der SPD befassen.
Denn viele Kontroversen sind nicht neu: Die konsequente Trennung von Kirche und Staat ist eine alte SPD-Forderung der Kaiserzeit. Weltliche Schulen ohne Religionsunterricht, dafür aber mit säkularem Ethikunterricht gab es auf Initiative der SPD bereits in der Weimarer Republik, und die säkularen Passagen unserer Verfassung sind von der SPD gegen heftigen Widerstand der klerikalen Parteien erstritten worden.
Mit dem Godesberger Programm von 1959 kam eine Neuausrichtung: Um als Volkspartei im Bund mehrheitsfähig zu werden, schwenkte die SPD angesichts des wieder gewachsenen Ansehens des Christentums in der Nachkriegszeit auf einen religions- und kirchenfreundlichen Kurs um; leider geriet dann die humanistische säkulare Traditionslinie zunehmend ins Hintertreffen.
Vortrag: „Selbstverständlich Säkular“ als PDF
Johannes Schwill ist Mitglied des Sprecherkreises der Säkularen Sozis und Vizepräsident des HVD in NRW.