Ein Gastbeitrag von Sigrid Hermann-Marschall, Bloggerin, Sozialdemokratin und Islamismus-Expertin.
Der Fall eines Imams, der an einer Düsseldorfer Kita Kindern etwas über den Islam beibringen soll, erregt derzeit die Gemüter. Der Grund dafür ist, dass der Imam bis in jüngste Vergangenheit öffentlich erkennbar vielfach radikale Haltungen zeigte, in Form von Teilen der Inhalte extremistischer Akteure sowie antisemitischer Karikaturen auf seiner Facebook-Seite. Guter Rat ist nun teuer, denn das Vorhaben war breit medial angekündigt worden. Wie in vielen Kommunen wurde nicht genau hingesehen, mit wem man es tatsächlich zu tun hatte. Parallel laufen Diffamierungskampagnen gegen die Autorin, die den Fall aufdeckte. Dieser und einige andere Fälle zeigen auf, welcher Werkzeuge sich der politische Islam bedient, um seine Claims abzustecken.
Die Diakonie Düsseldorf verkündete Anfang März, dass zukünftig wegen des Anteils muslimischer Kinder auch ein Imam an ihre Kita in der Steubenstraße im Stadtteil Reisholz gehen solle. Medien griffen die Meldung breit auf, es wurde freundlich, aber ohne Nachfragen berichtet. Der Imam war vom Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM) empfohlen worden. Das ist ein Düsseldorfer Dachverband muslimischer Gemeinden, der in der Stadtpolitik dank ambitionierten Eigenmarketings ausschließlich positiv dargestellt und wahrgenommen wird. Der Verband ist eine Art Interessenvertretung muslimischer Gemeinden und umfasst Einrichtungen und Akteure verschiedener Ausrichtungen.
Diese Art der Komplexität muslimischen Lebens erfordert jedoch ein genaues Hinsehen, denn unter den vertretenen Mitgliedern sind neben jenen konservativer und fundamentalistischer Ausrichtung auch solche mit extremistischen Bezügen. Von einer konservativen Politikerin und einem konservativen Regional-Portal abgesehen, verharrten Lokalpolitik und örtlichen Medien drei Wochen lang in einer Art Schockstarre, nachdem die radikalen Sichten des Imams aufgedeckt wurden. Die beiden Akteure zeichnet aus, dass sie langjährig mit dem Feld vertraut sind: Informiertheit schafft Parkettsicherheit. Mittlerweile sind zwei örtliche Medien involviert. Die Verfasserin wurde nicht, wie es eigentlich üblich ist, im Vorfeld der Berichterstattung befragt oder konfrontiert. Stattdessen gab die Berichterstattung nur die Sicht der Diakonie und des KDDM wieder, die sich unbeeindruckt von den problematischen Inhalten zeigten: Sie wollen an dem Imam festhalten ungeachtet seiner gezeigten Haltungen. Bekundungen, die der Imam eilig löschte, als der öffentliche Blick sich darauf richtete, und der sich quasi neu erfand. Nur dieses neue Bild wurde aufgegriffen, ein Journalist sprach sogar von „dünnen Belegen“ – Belegen, die er in Gänze gar nicht mehr öffentlich sichten konnte, weil sie verschwunden sind, und er sie auch nicht bei mir nachfragte. Garniert wurden die Artikel mit einigen oberflächlichen und rufschädigenden Einstufungen zur Person, die aufdeckte (die Verfasserin) und jenen, die die gelöschten Inhalte thematisierten. So wurde die Autorin als „Islam-Kritikerin“ diffamiert; eine Redaktion verstieg sich sogar zu der falschen Behauptung, sie sei eine „Ex-SPD-Frau“. Wie kommt so etwas nun?
Dachverbände sind keine Black Boxes
Solche Strukturen sind nicht selten und an vielen Orten ist der politische Akteur mit muslimischen Interessenvertretungen konfrontiert, die mal Fördermittel wollen, mal „Gefängnis-Imame“ entsenden, mal den islamischen Religionsunterricht mitgestalten wollen. Behandelt man muslimische Institutionen und Akteure ohne nähere Ansicht generell als geeignete Kooperationspartner, sind Überraschungen und auch Fehler vorprogrammiert. Das Feld ist komplex und vermint, und wer pauschal herangeht, wirft säkulare Muslime in einen Topf mit Lobbyisten des iranischen Regimes oder mit Salafisten. Ist dieser Fehler erst einmal gemacht, sind problematische Akteure bereits Kooperationspartner, wird der Ausstieg umso schwieriger, je länger man damit wartet. Mit der einen Kooperation werden nämlich weitere geworben, werden weitere Kooperationspartner in einem guten Glauben bestärkt. Ein Domino-Effekt setzt ein, der auch problematische Akteure mit einer Hülle aus Testimonials umgibt.
Ein hessischer Dachverband etwa wurde ohne nähere Begutachtung bei einem Anti-Radikalisierungsprojekt gefördert. Die lokale städtische Integrationsbehörde, kirchliche Kreise und oberflächlich informierte politische Akteure hatten dies ermöglicht. Bei genauem Hinsehen stellte sich heraus, dass rund ein Drittel der Mitglieder extremistische Bezüge hatte und auch im Vorstand solche Akteure zu finden waren. Der Verband kam direkt aus der Förderung in die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Ein von ihm entsandter Imam, der auch im Vorstand war, wurde als „Gefängnis-Imam“ suspendiert, als klar wurde, dass er in Gremien der Muslimbruderschaft ein geschätzter Gast ist. Ein bundesweiter Dachverband hat unter anderem eine große Organisation, in der Muslimbrüder sind, und einen Graue Wölfe-Ableger* als Mitglieder. Trotzdem wird er aktuell noch gefördert. Ein Bochumer Verein, in dem hochrangige Muslimbrüder immer wieder als Ehrengäste und Referenten geladen sind, wird von lokalen Politikern hofiert; eine Amtsleiterin, die auch bei den Grünen politisch aktiv ist, verkündet bei einer Jahrestagung in Bochum Grußworte.
Der legalistische Islam ist vielfältig
Dass diese zweifelhaften Akteure, die eine andere Rechts- und Gesellschaftsordnung wollen, mit ihrer legalistischen Strategie zur Mehrheitsgesellschaft hin so weit kommen, ist darin begründet, dass man sich erst nicht ausreichend informierte, naiv war oder schlicht nachlässig handelte. Die Doppelstrategie solcher Akteure, nämlich die islamistischen Inhalte zur Mehrheitsgesellschaft hin nicht zu kommunizieren und zu zentrieren, sondern sich dort moderat zu geben, ist dann leider auch erfolgreich. Es ist schlicht gutes Eigenmarketing, das fruchtet: Man vertritt islamistische Haltungen und verfolgt islamistische Ziele, gibt sich aber als harmloser Kulturverein. Man handelt politisch, aber unter der falschen Flagge Religion oder Kultur mit Herkunftsromantik. So mancher oberflächliche Beobachter hält das dann für Folklore, wenn doch knallharte Interessenvertretung und Politik dahinter stecken.
Unterwanderung wird nicht erkannt
Auf diese Weise werden Claims abgesteckt. Unerfahrene und wenig informierte Akteure, die unbesehen alles religiös konnotierte für gut befinden oder gar islamistische Bewegungen für eine Art Befreiungstheologie halten, lassen sich instrumentalisieren. Das geht so weit, dass manche die unbequemen Wahrheiten über ihre Kooperationspartner erst gar nicht wissen wollen. Man möchte die Realität nicht sehen, weil man keine Lösungen hat und auch nicht erarbeiten will. Erkenntnisse der Fachleute vom Verfassungsschutz werden nicht angefragt oder gar aktiv, ohne eigene Fachkenntnisse, bezweifelt: Man arbeitet lieber mit seiner eigenen Projektion. Zusammen mit einer hier fehlleitenden Identitätspolitik öffnet das einer Unterwanderung durch legalistische Lobbyisten Tür und Tor. So werden Muslimbrüder zu geschätzten Kooperationspartnern umgedeutet.
Strategie der Legalisten: Ablenkung von Fakten
Der an der Realität und tatsächlichen Lösungen Interessierte hat nun zwei Gegner: Die Islamisten selber und jene aus der Mehrheitsgesellschaft, die auch nicht wollen, dass die Realität sichtbar wird, weil sie sich schon zu sehr verstrickt haben und dann keinen Fehler mehr zugeben wollen. Nicht selten wird dann, wenn die tatsächlichen Verhältnisse offenbar werden, diese aktiv in Abrede gestellt. Von den Islamisten und jenen, die bereits instrumentalisiert wurden.
Am einfachsten geht das, indem man jene, die das Trugbild nicht annehmen wollen, in Misskredit bringt. Islamistische Akteure nutzen da die Strategie, auch bei konkreten Belegen zu extremistischen Bezügen diese einfach zu leugnen oder umzudeuten. Hartnäckigen Kritikern wird pauschal Rassismus vorgeworfen, in der Hoffnung, dass dieses laute Vorgehen von den eigentlichen Vorwürfen ablenkt.
Zusätzlich nutzen sie das pauschale Misstrauen, das dem Verfassungsschutz mittlerweile entgegenschlägt und auch bei tadellosen und fundierten Zuordnungen nützlich ist, sofern der Rezipient nur kenntnislos genug ist. In einer solchen Weise ist wiederholt gegen die Autorin vorgegangen worden. Bei relevanten Aufdeckungen zu islamistischen Bestrebungen wurden konzertierte Rufmordkampagnen betrieben, die mit aufgeblähten Kleinigkeiten vom eigentlichen Sachverhalt ablenken sollen; von den islamistischen Haltungen und Handlungen, die gerichtsfest vorliegen. Dies geschieht auch aktuell. Akteure aus dem Umfeld enttarnter Islamisten verfassten einen neuen Beitrag auf einem eigens für die Verfasserin eingerichteten Schmäh-Blog.
Politische Akteure lassen sich instrumentalisieren
Mancher in der Politik greift das auf. Nicht mehr die Realität zählt, sondern schon, wer sie nur erkennen will, also nachfragt, oder wer tatsächliche Belege hat. Da werden Islamisten Preise, Auszeichnungen und Orden verliehen, das dient dem schönen Schein, dieser anderen, konstruierten Realität. Kritiker werden in Misskredit gebracht, indem man ihre konkreten Belege nicht prüft, sondern sie selber aus dem Diskurs ausschließt. Es wird darauf gebaut, dass man mit dem Vorwurf, man liefere der AfD Argumente, jeden Kritiker aus dem Diskurs entfernen kann und dann so weitermachen kann wie bisher. Da werden dann inhaltlich korrekte Berichte als „Fake-News“ bezeichnet oder die fachlich korrekten Einschätzungen der Verfassungsschützer im konkreten Fall zu „Spekulationen, Unterstellungen und Verschwörungstheorien“ erklärt.
Da werden schon mal Pressekontakte genutzt, damit die tatsächliche Sachlage nicht Gegenstand der Berichterstattung wird. Medienvertreter, die trotzdem berichten wollen, haben es teilweise in ihren Redaktionen schwer oder es wird gleich das ganze Medium als „zu rechts“ eingeordnet, wenn über Islamismus berichtet wird. Eine solche Zuordnung wird, auch wenn sie nicht zutrifft, gefürchtet, weil man nicht darauf hofft, dass sich der Betrachter genügend Zeit nimmt, den tatsächlichen Sachverhalt zu ergründen. Islamisten verstehen es geschickt, sich als normale Muslime auszugeben, um dann üblicherweise berechtigte antirassistische Schutzmechanismen für sich zu nutzen. Das Etikett genügt, um aus dem Diskurs zu entfernen. Das macht eine Berichterstattung zu dem Thema schwierig, was wiederum Islamisten in die Hände spielt. Das macht sogar eine Landtagsanhörung schwierig, wenn Abgeordnete Sachverständige nicht mehr befragen, auch wenn diese neutral sind. Sogar die Chance zur Information wird nicht mehr genutzt und der Demonstration einer Haltung nachgeordnet.
Politische Herausforderungen benötigen Lösungen, nicht nur Haltungen
Letztlich leiden darunter säkulare Muslime, die von ebenfalls pauschal agierenden, tatsächlich rechten Akteuren in dieselbe Schublade mit Islamisten gesteckt werden. Wenn politische Akteure keine roten Linien jenseits des Gewaltverzichts ziehen können oder wollen, dann gibt es nur noch Jihadisten und friedliche Muslime. Alle Akteure des legalistischen Islams verschwinden in dieser Schwarz-Weiß-Sicht. Man lässt die Opfer des politischen Islam ebenso alleine wie Kinder, die indoktriniert werden. Wenn jene, die – begründet – eine sachgerechte Differenzierung leisten können und wollen, aus dem Diskurs entfernt werden, wenn sich nicht mehr an der Sache, sondern an – sachfremden – Sprechereigenschaften entscheidet, ob ein Sachverhalt geprüft wird, dann ist das Komplexitätsreduktion an der falschen Stelle. Für jene, die nicht differenzieren können und gar nicht mehr wollen, ist Vielfalt zu anstrengend. Sie wollen einfache Sichten und sei es auch eine falsche, weil sie der Realität nicht gerecht wird.
Wie die Verfasserin am 21. März in einem Artikel bei den ruhrbaronen dargelegt hat, hält sie dies für einen ganz falschen Kurs, der leider auch von einigen in unserer Partei betrieben wird. Wenn die Bochumer SPD zu Vorgängen wie der Schulung von Jugendlichen durch Muslimbrüder schweigt, wenn sich Marburger oder Berliner Bürgermeister – trotz entsprechender Belege – vor muslimbrudernahe Akteure und Einrichtungen stellen, dann schaden sie nicht nur dem Zusammenhalt unseres Gemeinwesens, sondern auch unserer Partei.