Erklärung des Bundesprecherinnenkreises
Gewalt und sexueller Missbrauch sind durch keine religiösen oder weltanschaulichen Ideologien zu rechtfertigen. Das Leiden Einzelner aufgrund der Interessen von Organisationen zu ignorieren, oder mit Verweis auf historisch akzeptierte Praktiken, wie Gewalt als Mittel von Pädagogik, zu relativieren, führt in gelebten Zynismus.
Die Missbrauchsfälle im Bistum Regensburg im Besonderen, aber auch der kath. Kirche im Allgemeinen, die als religiöse Institution in vielen Bereichen staatlich subventioniert und finanziert wird, verlangen nach einem Höchstmaß an kritischer Aufklärung. Den Betroffenen gilt unser Mitgefühl, unsere Anerkennung und all jenen, die zur Aufdeckung personeller wie struktureller Missstände beitragen, unser Respekt!
Es ist vor allem einzelnen Engagierten und Laienorganisationen wie „Wir sind Kirche“ zu verdanken, dass die Kultur des Wegschauens und Schweigens innerhalb der katholischen Amtskirche durchbrochen wurde. Sie hatte schon 2002 das „Wir-sind-Kirche-Not-Telefon“ eingerichtet und sich für „Opferschutz statt Täterschutz“ stark gemacht. Als säkulare Sozis begrüßen wir die kritischen Anliegen der Laienorganisationen und erhoffen uns mehr Transparenz und Demokratie innerhalb einer organisierten Religionsgemeinschaft, die noch stark von hierarchischem Denken und fehlenden demokratischen Strukturen geprägt ist.
Zum Abschlussbericht („Hinsehen. Zuhören. Antworten“) halten wir fest:
- Der Abschlussbericht ist ein Fortschritt, mehr aber auch nicht. Gerade die selbstherrlichen und arroganten Reaktionen von Kardinal Müller und vom Ex-Domkapellmeister Ratzinger zeigen, dass die kath. Kirche die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals alles andere als bewältigt hat. Die Kirche steht noch immer vor einer internen Realitäts- und Erkenntnisverweigerung, die nicht überwunden ist. Die kath. Kirche darf ihre Bemühungen um Aufklärung deshalb nicht beenden. Sie muss sie vielmehr intensivieren und auf die wirklichen Ursachenkomplexe erweitern.
- Der Aufarbeitungswille der kath. Kirche wird daran gemessen werden, ob sie auch bereit ist, strukturelle Übel, die Gewalt und sexuellen Missbrauch begünstigt haben, zu verändern. Hierzu gehört auch eine unvoreingenommene Prüfung der Frage, in wieweit der für kath. Priester geltende Zölibat und die in der kath. Kirche fehlenden demokratischen Grundstrukturen mitverantwortlich waren für die Häufung von Missbrauchsfällen gegenüber anvertrauten Kindern.
- Der Bericht offenbart auch in erheblichem Maße gesellschaftspolitische Mängel:
Zum einen haben staatliche Stellen zu oft und zu lange weggeschaut gegenüber dem, was sich in nichtstaatlichen Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen vollzieht. Das galt ganz offensichtlich bei kirchlichen Schulträgern ganz besonders. Gerade ideologiegeprägte Schulen müssen aber in besonderer Art und Weise im Blick der zuständigen staatlichen Stellen stehen. Das gilt umso mehr, wenn die vom privaten Schulträger präferierte Ideologie (Weltanschauung oder Religion) eine angeborene Schuld der Menschen und damit auch die Schuldhaftigkeit der ihnen anvertrauten Kinder lehrt (Erbsünde).
Zum anderen bleibt es ein gesellschaftspolitischer Skandal, dass nahezu alle kirchlichen Täter ohne Strafverfolgung davongekommen sind. Unter dem Dach der katholischen Kirche hat sich jahrzehntelang faktisch ein rechtsfreier Raum entwickelt, der selbst schwerste Straftaten – den sexuellen Missbrauch an Kindern – begünstigte und diese Straftaten ungesühnt gelassen hat. Für diese Parallelgesellschaft des Schweigens sind viele Menschen und Institutionen verantwortlich. Auch der Staat hat hier eine Mitverantwortung.
Die Kirchen haben diese Kultur der Abschottung und des Schweigens nicht zuletzt über ein vermeintliches Selbstbestimmungsrecht eingefordert und gerechtfertigt. Der Staat hat dies unkritisch geduldet und akzeptiert. Deshalb sollte dieser Abschlussbericht auch ein Anlass dazu sein, das veraltete Religions- und Weltanschauungsrecht in Deutschland zu reformieren.
Bundessprecherinnenkreis der Säkularen Sozialdemokraten