„Bottom Up“ – Lokale Religions-und Weltanschauungspolitik als Chance

Eulen-Interview mit Dr. Ulrike Spohn, Politik- und Religionswissenschaftlerin. Ihr Buch Den säkularen Staat neu denken. Politik und Religion bei Charles Taylor erschien 2106. In mehreren Beiträgen, wie für den SWR oder den Deutschlandfunk, betonte sie die Wichtigkeit säkularer Staatsordnungen und religiös-weltanschaulicher Pluralität in der Gesellschaft. Derzeit ist Sie Projektmanagerin von Vielfalt leben – Gesellschaft gestalten der Bertelsmann-Stiftung.

Frau Spohn, Sie haben sich explizit mit den politischen Möglichkeiten eines säkularen Staates auseinandergesetzt. Ein Merkmal dieses Staates ist es keinen Zwang zum Glauben oder Unglauben sich zum Ziel zu machen. Wie ist das gemeint und schließt das auch einen Staatsglauben, einen „Staat als Religion“ mit ein?

Dass es im säkularen Staat keinen religiösen Zwang geben darf, heißt, dass alle Bürger ihren Glauben oder Nichtglauben in der Gesellschaft im Rahmen der geltenden Gesetze frei ausleben können. Das bedeutet konkret zum Beispiel, dass die Menschen ihre religiösen bzw. nichtreligiösen Ansichten öffentlich äußern, ihre Identität sichtbar zeigen und gemeinschaftliche Rituale ausüben können, ohne dafür vom Staat verfolgt zu werden. Der Staat gibt keine Religion vor, der alle angehören müssen. Er gibt jedoch auch nicht vor, dass sich alle Bürger eine säkulare Gesinnung aneignen müssen. Ein „Staat als Religion“ im Sinne einer vollständigen Verdrängung von Religionen aus der öffentlichen Sphäre würde dem freiheitlichen Geist eines säkularen Staates liberaler Prägung widersprechen.

Es gibt Stimmen, die eine Re-Politisierung von Religion, spätestens seit dem 11. September 2001, beobachten und mit Sorge sehen, denn oftmals werden soziale Probleme und Fragen von Bildung oder des alltäglichen Zusammenlebens nun von Zugehörigkeiten zu Religionen überlagert. Muslimische Flüchtlinge, christliches Abendland. Wird hier Religion mit Politik und Politik mit Religion verwechselt? 

In den öffentlichen Debatten wird vieles pauschalisiert und miteinander vermengt, das ist ein großes Problem. Insbesondere werden gesellschaftliche Herausforderungen, wie etwa Kriminalität oder Arbeitslosigkeit, heute oft kulturalisiert, weil dies in einer komplex gewordenen Lebenswelt scheinbar einfache Erklärungen bietet. Das Unbehagen oder die Frustration angesichts gesellschaftlicher Missstände wird auf eine einfache Formel reduziert: „Die Muslime sind schuld“ oder „Die Flüchtlinge sind schuld“. Solche Sündenbock-Diskurse sind fatal. Sie gefährden nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern verhindern auch, dass bestehende Probleme und Herausforderungen adäquat angegangen werden.

Hinsichtlich der Thematisierung von Religionspolitik wird oft auf die religiösen Gemeinschaften Bezug genommen, aber die Weltanschauungsgemeinschaften werden vergessen. Ist es nicht ein Ziel des säkularen Staates hier faire, gleichberechtigte Bedingungen zu schaffen?

Es ist eigentlich nicht die Aufgabe des Staates – schon gar nicht des säkularen Staates – weltanschaulichen Gruppen, welcher Ausrichtung auch immer, „unter die Arme zu greifen“ und ihnen Geltung zu verschaffen. Dass müssen die jeweiligen Gruppen schon selbst leisten. Wenn es genügend Menschen in Deutschland gibt, die säkular eingestellt sind, sich damit als Teil einer weltanschaulichen Bewegung oder Gemeinschaft begreifen und deren Ansichten und Forderungen politisch stärker berücksichtigt sehen wollen, kann man nur sagen: Organisiert Euch! In unserer pluralistischen Gesellschaft müssen alle Verbände und Gemeinschaften ein gewisses Maß an Überzeugungs- und Lobbyarbeit leisten und ihre Mitglieder mobilisieren, um als politischer Akteur Relevanz und Gehör zu erlangen – das ist Demokratie.

Wir Säkularen wollen religiöse wie weltanschauliche Beiträge in zivilgesellschaftlicher Hinsicht gleichberechtigt würdigen, schließlich brauchen gut ein Drittel Konfessionsfreier in Deutschland auch politische Wahrnehmung und Vertretung. Sehen Sie hier Bewegung in der Politik? Auch der Parteipolitik?

Die Parteien haben das Thema Religionspolitik generell erst spät entdeckt. Erst jetzt wird dieses langsam als eigenes Politikfeld wahrgenommen und aufgegriffen. Im Angesicht des Faktums von Deutschland als religiös vielfältiger Gesellschaft sind die Parteien gefordert, diese Realität auch in ihren eigenen Strukturen entsprechend abzubilden und den Wählern Angebote zu machen. Darin liegt auch eine Chance für die Parteien. Allerdings sollten sie hierbei besonnen vorgehen und der Versuchung widerstehen, ihre religionspolitische Agenda als eine Form der Identitätspolitik zu betreiben, die auf Polarisierung und Spaltung setzt.

Sie regen zu Gelassenheit und Pragmatismus an, was verschiedene Lösungsansätze religiöse wie moralische Wertvorstellungen anbelangt, um Alltagsfragen zu lösen, wie Kleidervorschriften oder Feiertagsgesetze. Oftmals erscheint es in der Politik aber vor allem um Wählerstimmen oder neue Zielgruppen zu gehen, siehe die unverhältnismäßige Beteiligung konservativer Islamverbände in Berlin oder den Kreuzerlass in Bayern. Wie gelingt hier ein säkularer Sinneswandel?

Hier ist vor allen Dingen die lokale Politikebene gefragt. Denn die Konflikte um Kopftuch, Kreuz, Kippa & Co. werden konkret ja meist im Alltag ausgetragen: auf der Straße, in der Schule, im städtischen Freibad etc. Nicht selten wachsen sich Reibungen, in die eigentlich nur wenige Akteure involviert sind, zu nationalen Grundsatzdebatten über eine „Leitkultur“ aus – begünstigt durch den oft leider nicht gerade deeskalierenden Umgang der Massenmedien mit diesen Themen. Es braucht Lokalpolitiker, die hier beherzt pragmatisch eingreifen, etwa indem sie die in den Konflikt involvierten Parteien persönlich an einem Runden Tisch zusammenbringen und mit ihnen eine Lösung ausarbeiten, die für die Konstellation vor Ort funktioniert. Es geht also nicht darum, eine fruchtlose Grundsatzdebatte über „das Abendland“ zu führen, sondern praktisch Wege zu finden, wie konkrete Menschen an einem konkreten Ort miteinander leben können. Dies ist normalerweise im Interesse der Wähler vor Ort. Wenn es Politikern gelingt, sich glaubhaft als handfeste „Problemlöser“ zu profilieren, bringt ihnen das Wählerstimmen. Dafür braucht es aber in der Tat den Mut, sich hin und wieder aus den typischen parteipolitischen Grabenkämpfen zu lösen und Wege zu suchen, die auch mal quer zu den eingefahrenen Frontlinien verlaufen. Hier liegt im Übrigen eine Chance für die Lokalpolitik, gleichsam „bottom-up“ als innovativer Impulsgeber für die nachgelagerten Politikebenen zu wirken.

Eine säkulare Bewegung für alle? Hamburger Impulse!

Während eines Vortrages mit Diskussion zum Thema KIRCHE und STAAT der SPD Hamburg, Distrikt Groß Borstel, am 17. April, wurden die Stärkung der säkularen Be-wegung in unserer Gesellschaft besprochen. Es ging dabei um eine Bewegung für alle Staatsbürger/Staatsbürgerinnen, die sich keiner oder wechselnden Religionen wie Weltanschauungen zugehörig fühlen können. Unser Bundessprecher Gerhard Lein präsentierte Leitfragen und Antworten, die durchaus der weiteren politischen Arbeit dienlich sind. Der folgende Beitrag übernimmt in angepasster Form, die wesentlichen Gedanken aus dem Protokoll.

Warum eine säkulare Bewegung? Wir haben doch Religionsfreiheit bei uns, und es gibt grundsätzlich eine Trennung von Kirche und Staat!

Wie präsent die institutionalisierten Religionsgemeinschaften (die Kirchen) dennoch in unserer Gesellschaft sind, erleben wir ständig bei Diskussionen/Kontroversen z.B. im Hinblick auf Kindergärten und Schulen, bei der Diskussion um Schwangerschaftsabbruch, Sterbehilfe-Begleitung, bei der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus und dem Islam. Ganz aktuell z.B. die Kontroverse um Konfessionszugehörigkeit als Voraussetzung für eine Einstellung in einer kirchlichen Einrichtung. Auch die Lehrverbote für „aufmüpfige“ Vertreter der Kirche wie z.B. Hans Küng sind gut bekannt. Im Zusammenhang eines solchen Umganges mit Kritikern gilt es sinngemäß an einen Ausspruch zu erinnern, der Papst Benedikt, damals noch Präfekt der Glaubenskongregation, zugeschrieben wird: „Der christliche Gläubige sei eine einfache Person. Aufgabe der Bischöfe sei es, diese kleinen Leute vor dem Einfluss der Intellektuellen zu bewahren“!

Die Verzahnung von Kirche und Staat sowie ihre verschiedenen Formen der Durchdringung, sind nicht ohne Blick in ihre komplexe Geschichte zu verstehen. „Eine säkulare Bewegung für alle? Hamburger Impulse!“ weiterlesen

Kirchen und sexueller Missbrauch: „Image-Denken ist tendenziell empathieunfähig“

Eulen-Interview mit Prof. Heiner Keupp, LMU München, Prof. em.

Der langjährige Professor für Sozial- und Gemeindepsychologie an der LMU München, Heiner Keupp, beschäftigte sich schon früh mit Fragen individueller und kollektiver Identitätsbildung. Er prägte Begriffe wie „Patchwork-Identität“ und „Identitätsarbeit“ und Bücher wieIdentitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne“ oder Subjektdiskurse im gesellschaftlichen Wandel betonen sein Interesse an Bedingungen wie Folgen des Wandels der Verhältnisse von Gesellschaft, Institution und Individuum. Keupp wirkte als Vorsitzender der Berichtskommission des 13. Kinder- und Jugendberichtes der Bundesregierung und an mehreren Studien zum sexuellen Missbrauch an kirchlichen wie staatlichen Einrichtungen mit. Seit 2016 ist er Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.

Professor Keupp, Sie sind Mitglied der unabhängigen und ehrenamtlichen „Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs“. Sehen Sie in der Existenz sowie der Arbeit dieser Kommission einen wichtigen Schritt zur Enttabuisierung von Missbrauchserfahrungen in der Gesellschaft?

In einer Gesellschaft, in der die Skandalisierung zu einem der beliebtesten Volkssportarten geworden ist und Enttabuisierung Normalitätsstatus erlangt hat, wirkt es auf den ersten Blick paradox, dass die gewaltförmigen Grenzverletzungen in – zum Teil prominenten – Institutionen so lange aus den öffentlichen Diskursen ausgeklammert waren. Ahnungen und Vermutungen gab es sicherlich wiederholt, aber sie wurden entweder als Einzelfälle abgetan oder als Angriffe z.B. auf die Institution Kirche oder die Reformpädagogik dargestellt. Betroffene, die heute über ihre Gewalterfahrungen in Internaten zu sprechen beginnen, haben vor allem in den 60er, 70er und 80er Jahren wichtige Jahre ihres Heranwachsens dort verbracht. Dass sie jetzt darüber sprechen können, hat sicherlich mit der Tatsache zu tun, dass sie sich jetzt nicht mehr in den Schweigecontainer aus Tabus und Scham eingesperrt sehen. Aleida Assmann spricht von einem „repressiven“ oder einem „komplizitären Schweigen“, das Täter geschützt und Betroffene in die Isolation traumatisierter Subjekte gedrängt hat. „Kirchen und sexueller Missbrauch: „Image-Denken ist tendenziell empathieunfähig““ weiterlesen

Wieder Eulen in der Hauptstadt: Aktive Sprecher und regelmäßige Treffen

Nach langen Zeiten der Abstinenz, haben sich die Berliner Sozis wieder ins säkulare Geschehen katapultiert.

Vor zwei Jahren hatten sich die (damals noch) laizistischen Genossinnen und Genossen aus dem Bundessprecherkreis verabschiedet. Die aktive Gruppe war eingeschlafen, obwohl sich mit dem Streit um das Neutralitätsgesetz und die Gründung konfessioneller Fakultäten in der Hauptstadt, durchaus genug Themen ergaben, die einer säkularen Sichtweise bedurften. Unsere Bundessprecherinnen Ulla Wolfram und Gerhard Lein ergriffen die Initiative, endlich für ein reaktivierendes Treffen zu sorgen, da es in letzter Zeit gehäufte Anfragen hierfür gab. Alle Berliner Kontaktadressen wurden angemailt und mit Hilfe eines Kreuzberger Genossen, sogar ein Raum im Willy-Brandt-Haus reserviert.

Nach zwei Jahren wieder im WBH versammelt: Treffen der Berliner säkularen Sozis am 14.6.2018

Ein  knappes Dutzend interessierter Genossinnen und Genossen fand sich in der Geschäftsstelle im WBH ein. Nach einer ausgiebigen Vorstellungsrunde über Erfahrungen und Wünsche – das war auch für die Berliner Genossinnnen und Genossen selbst ein wichtiger Punkt, wie versichert wurde – stellten Ulla und Gerhard die Arbeit des Bundessprecherkreises vor. Strukturen, Aufgabenverteilung, Öffentlichkeitsarbeit über die Homepage, facebook und Eulen-Rundbriefe, die Netzwerkarbeit säkularer Organsiationen untereinander, die Vorbereitung der Aktivitäten durch regelmäßige Telefon-Schaltkonferenzen, Berichte über Aktvitäten und spannende Themen für den Eulen-Newsletter haben viel Stoff geboten, um ins Gespräch zu kommen. „Wieder Eulen in der Hauptstadt: Aktive Sprecher und regelmäßige Treffen“ weiterlesen

Humanismus und Menschenrechte: HumanistenTag in Nürnberg

Humanisten und Säkulare haben in der Regel viel gemeinsam, wenn es um die Religions- wie Weltanschauungsfreiheit und die Überwindung von Privilegien wie auch Diskriminierung geht.

Deshalb ist es für unsere Kreise gleichermaßen ein Fest, dass vom 22. Juni bis 24. Juni 2018 der HumanistenTag in Nürnberg begangen wird. Dieses Jahr steht er ganz im Zeichen der 70-Jahrfeier der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Erneut haben die Veranstalter eine bunte Palette an Podien, Vorträgen und Workshops auf die Beine gestellt.

Eine Diskussion um die Werte, die Europa braucht, Perspektiven humanistischer Seelsorge und die politische Verfolgung von Atheistinnen und Atheisten werden angeboten. Vertreter des Zentrums für Politische Schönheit besprechen die Kunst als Waffe im Kampf um Menschenrechte und ein ganzer Chor wird eingesetzt, um „Sing Human Rights“ zu gestalten.

Prominente „Freigeister“, wie der Wissenschaftskabarettist Vince Ebert, die Computer-Aktivistin Constanze Kurz und der Autor und Bundesrichter a.D. Heinz Fischer geben sich die Ehre.  Außerdem konnte der Vize-Präsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermanns, für ein begrüßendes Plädoyer gewonnen werden. „Humanismus und Menschenrechte: HumanistenTag in Nürnberg“ weiterlesen

Eulentreffen im Juni in Berlin: Säkulare Sozis beflügeln die Hauptstadt

In Sachen staatliche Neutralität wahren, heißt es „Eulen nach Berlin tragen“, denn in der Hauptstadt sind die säkularen Interessen traditionsgemäß stark. Allerdings braucht es wieder eine aktive Gruppe vor Ort, damit wir für moderne Religions- und Weltanschauungspolitik auch in der Hauptstadt werben.  Hier wird ein Eulentreffen am 14. Juni nun Abhilfe schaffen, damit die Säkularen Sozis in Berlin wieder Flügel zeigen. Gemeinsam mit Aktiven in der Hauptstadt, laden unsere Bundessprecherinnen Ulla Wolfram und Gerhard Lein um 19 Uhr in das Büro des Kreis Friedrichshain-Kreuzberg, Willy-Brandt-Haus, ein.

Donnerstag 14. Juni, 19 Uhr

Eulentreffen der Säkularen Sozis in Berlin

SPD-Bürgerbüro, Kreis Friedrichshain-Kreuzberg, Willy-Brandt-Haus

Anmeldungen und Rückfragen an gerhard.lein (at) saekulare-sozis.de

Streitgespräch Paulinum Uni Leipzig: Ist das Staatskirchenrecht noch zeitgemäß?

rolf-schwanitz-90x130Unser Bundessprecher aus Sachsen, Rolf Schwanitz, debattiert am 28. Mai mit dem Staatskirchenrechtler Prof. Michael Germann im Paulinum der Uni Leipzig. Veranstalter ist die Theologische Fakultät der Universität Leipzig.

Solche Streitgespräche ermöglichen einen Disput auf Augenhöhe und zeigen auf, dass die Rufe nach säkularer religions- und Weltanschauungspolitik nicht ungehört verhallen. Alle Säkularen Sozis, Sympathisanten und Freunde sind eingeladen diesem Format beizuwohnen.

Montag, 28.5., 18.00 Uhr, Paulinum – Universitätskirche St. Pauli – Aula.

Eintritt frei!

Text des Veranstalters:

Nach dem in Grundgesetz und Länderverfassungen niedergelegten Staatskirchenrecht sind Staat und Kirche in Deutschland nicht „strikt“, sondern nur „mild“ voneinander getrennt. Angesichts einer zunehmend multireligiösen Gesellschaft mit einem hohen Anteil von Konfessionslosen wird dieses Staat-Kirche-Modell heute oft im Blick auf seine Zeitgemäßheit kritisch angefragt. In der Veranstaltung werden zwei engagierte und sachkundige Vertreter in Sachen Staatskirchenrecht für ihre Position werben und miteinander in ein Streitgespräch treten. Die Veranstaltung findet im „Paulinum – Universitätskirche St. Pauli und Aula“ statt, an einem Ort, dessen Architektur und vielfältige Nutzung das Konzept einer „milden Trennung“ zwischen Staat und Kirche, zwischen Wissenschaft und Glaube in seiner Weise demonstriert.

Religionspolitik und Islam: Politik soll neutrale Räume schaffen!

Eulen-Interview mit Susanne Schröter, FFGI Frankfurt

©ffgi

Die Ethnologin und Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter leitet das Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam (FFGI) der Goethe Universität. Dabei versucht sie zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu vermitteln, damit das Wissen über die Zusammenhänge von islamischer Religion, Kultur und den globalen Entwicklungen auch ein breites Publikum findet. In Ihrem Buch „Gott näher als der eigenen Halsschlagader. Fromme Muslime in Deutschland“ (2016), hat sie die Arbeit von drei Jahren Forschung in Wiesbadener Moscheegemeinden zusammengetragen.

Trotz aller wissenschaftlichen Sachlickeit, sind ihr gerade die Wahrnehmung von Säkularisierungsprozessen, im Islam wie in der Gesellschaft, ebenso ein Anliegen, wie die Überwindung einer auf Theologie zentrierten Politik und eines Umgangs mit „dem Islam“, der Vielfalt und  Tiefenschärfe außer acht lässt.

Frau Schröter, die Islamdebatte in Deutschland kommt nicht zur Ruhe, siehe Äußerungen von Horst Seehofers, ob der Islam zu Deutschland gehört. Sehen Sie hier die oft reflexhaften Beiträge aus der Politik als hilfreich an?

Es handelt sich meiner Meinung nach um einen Effekt unserer immer pluralistischer werdenden Gesellschaft, in der alte Gewissheiten verloren gehen. Die Frage nach dem identitären „Wir“ mit allen dazu gehörenden Implikationen, d.h. der Definition von Zugehörigkeit sowie möglichen Ein- und Ausschlüssen von Gruppen, stellt sich nur in Transformationsphasen. Außerhalb dieser Phasen gibt es keinen Grund sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen. Zunehmende Multikulturalität ist eine Stresssituation, in der das Bedürfnis nach Selbstvergewisserung stark wird. Insbesondere dann, wenn Zuwanderer selbst mit starken kollektiven Identitäten aufwarten, wie wir beispielsweise bei einem Teil der Türkeistämmigen oder auch bei Muslimen sehen. Das fordert selbst diejenigen, die Konstruktionen wie Nation oder Heimat eher ablehnend gegenüber stehen, heraus, auch ein Kollektiv zu benennen, dem sie angehören. Dahinter steht die Angst, als Individuen dem Ansturm neuer Kollektive nicht gewachsen zu sein. „Religionspolitik und Islam: Politik soll neutrale Räume schaffen!“ weiterlesen

Den Posten des Kirchenbeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion reformieren!

von Rolf Schwanitz, Bundessprecher, Staatsminister a. D., bis 2013 Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion

rolf-schwanitz-90x130Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen neuen Beauftragten für Kirchen und Religionsgemeinschaften. Die bisherige Beauftragte Kerstin Griese, die auch dem 15-köpfigen Rat der EKD angehört, musste ihr Fraktionsamt abgeben, weil sie nach der schwarz-roten Regierungsbildung als Parlamentarische Staatssekretärin in das Bundesarbeitsministerium gewechselt ist. Der neue Kirchenbeauftragte der Fraktion ist nun der 44-jährige Protestant Lars Castellucci. Wer sich von diesem personellen Wechsel frischen Wind im Amt erhofft hat, muss nach den ersten öffentlichen Verlautbarungen ziemlich enttäuscht sein. Realisten sind aber wenig überrascht, denn wie zu Grieses Zeiten versteht sich auch der neue Amtsinhaber ganz offensichtlich in erster Linie als Interessenvertreter der Kirchen im sozialdemokratischen Raum. Sollte das so bleiben, wäre eine Chance zu einer längst überfälligen Reform im Amt verpasst.

Lars Castellicci hat sich vor Kurzem mit einem Interview im ideaSpektrum (ideaSpektrum 18.2018) zu Wort gemeldet. Warum er sich gerade diese zum evangelikalen Spektrum gehörende Nachrichtenagentur, die sogar in kirchlichen Kreisen heftig kritisiert wird, für sein vielleicht erstes Interview als neuer Beauftragter ausgesucht hat, kann wohl nur er selbst beantworten. Bemerkenswert sind aber die Selbsteinschätzungen, die Castellucci idea gegenüber vom Stapel lässt. Er beschreibt sich im Interview als „Hardcore-Protestant“ und meint, „wenn es um die Luther-Übersetzung der Bibel geht, bin ich brutal konservativ: Mich regt es auf, wenn ich die Weihnachtsgeschichte in einer anderen Fassung hören muss.“ Es ist eigentlich egal, ob Castellucci hier den Maulhelden gibt, um beim idea-Publikum zu gefallen, oder ob er wahrhaftig über seine Anschauungen spricht – fatal ist beides gleichermaßen. „Den Posten des Kirchenbeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion reformieren!“ weiterlesen

Das Kreuz mit der CSU: Horst Dreier zum Neutralitätsgebot

Es ist Wahlkampf in Bayern und die CSU möchte alles tun, um ein zweistelliges Ergebnis für die AfD im Land zu verhindern. Deshalb haben der bayerische Ministerpräsident und sein Kabinett beschlossen, dass ab Juni in allen Ministerien und Behörden Kreuze aufgehängt werden sollen, um die christliche Prägung Bayerns zu betonen. Diese christliche Identitätspolitik wurde just in den Medien, von den anderen politischen Parteien sowie sogar den Kirchen kritisiert, stellt sie doch einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Neutralitätsgebot dar (siehe unten). Der CSU-Generalsekretär Markus Blume konterte Kritik jedoch verschwörungsmythisch und spricht gar von einer „unheiligen Allianz der Religionsfeinde und Selbstverleugner“. Dass die CSU mit diesem Wahlkampfmanöver wenig erreichen wird und die bayerische Lesart der Umdeutung religiöser Kreuzesymbolik wohl kaum Freunde findet, steht außer Frage. Für Säkulare bedeutet der auf der Ebene einer Verwaltungsvorschrift vollzogene Kruzifik-Vorstoß eine klare Kampfansage und gesteigerte Motivation, sich jetzt mehr denn je für säkulare Religions- und Weltanschauungspolitik einzusetzen. Dass dies nicht einfach unheilig, sondern verfassungsrechtlich geboten ist, verdeutlich Horst Dreier exklusiv und im Namen der „Eule“.

Eulen-Interview mit Prof. Horst Dreier, Uni Würzburg

Der Rechtswissenschaftler und Verfassungsrechtler Horst Dreier beschäftigt sich vor allem mit Fragen zu Religionsfreiheit, dem Neutralitätsgebot des Staates gegenüber Religionen wie Weltanschauungen und der Geschichte von Grundrechten. Schon 2013 erschien von ihm die wegweisende Schrift „Säkularisierung und Sakralität. Zum Selbstverständnis des modernen Verfassungsstaates“, in der sich gegen sakrale Formen der Begründung von Staat wie Verfassung ausspricht, denn „die Trennung von Politik und Religion ist und bleibt die Basis der Freiheitlichkeit des politischen Gemeinwesens.“ In seinem 2018 neu veröffentlichten Buch „Staat ohne Gott“, zeigt er auf, wie wichtig eine säkulare Selbstvergewisserung in einem Staat mit einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft ist. „Das Kreuz mit der CSU: Horst Dreier zum Neutralitätsgebot“ weiterlesen