Ein Kommentar von Adrian Gillmann (BaWü)
Dieser Tage sah sich die SPD einer konzertierten Kritik an einem Wahlwerbespot ausgesetzt. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholikinnen und Katholiken (ZdK) Thomas Sternberg forderte gar den SPD-Kanzlerkandidaten auf sich zu entschuldigen. Die Bischofskonferenz fühlte sich mitunter genötigt, auf einen fairen Wahlkampf hinzuweisen. Was war geschehen?
In dem Wahlwerbespot „Wer Armin Laschet und die CDU wählt…“ wurde ein kritischer Rundumschlag gegen die CDU vorgenommen, der eine lobbyistische Politik für Reiche ebenso aufs Korn nahm, wie mögliche Kandidierende des rechten Randes, siehe den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes und CDU-Bundestagskandidat in Thüringen, oder „Maue Mautminister“, deren politische Projekte auf Kosten der Steuerzahlenden scheiterten. An sich in Wahlkampfzeiten nichts Außergewöhnliches, denn ein Abarbeiten am politischen Gegner gehört hier ebenso zum Tagesgeschäft, wie auf dessen Schwächen hinzuweisen. Anlaß zur Kritik von Kirchenvertretern und Katholiken war jedoch die Bemerkung, dass „erzkatholische Laschet-Vertraute“, die ihre Probleme mit Sex vor der Ehe haben, ebenfalls zum Umfeld des CDU-Spitzenkandidaten gehören. Gemeint war der als „Generation Benedikt“-Freund und reaktionäre Katholik bekannte Nathanael Liminski, CDU-Politiker und Chef der Staatskanzlei in NRW.
Die Reaktionen aus dem katolischen Milieu auf die eher beiläufig im Spot geäußerte Kritik an dem reaktionären Weltbild und gewisser Personen, die ihre Religion in die Politik tragen wollen, bestätigen die Richtigkeit und Wichtigkeit solcher Kritik von politischer Religion! Schließlich geht es nicht um das private Bekenntnis oder die Glaubensüberzeugungen Herrn Liminski, sondern die Einflüsse derer auf politisches Handeln und eben auch die Versuche, dass bestimmte Einstellungen hinsichtlich Gleichstellung, Sexualmoral oder Werte und Normen von Religionsgemeinschaften in politisches Kapital umgewandelt werden sollen.
Die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal wendet sich klug gegen die Kritik von Kirchenvertretern und verweist auf „das freiheitsgefährdende Weltbild“ einer politisch-religiösen Agenda des Laschet-Vertrauten Liminski.
„Mit ihm werden Freiheiten für Menschen mit anderer sexueller Orientierung unter Druck geraten, mehr Rechte und Freiheiten von Frauen rücken in weite Ferne. Jede und jeder sollte wissen, von wem sich der Kanzlerkandidat der Union beraten lässt.“
Quelle: Tagesspiegel
Der Missbrauch religiöser Bekenntnisse setzt vielmehr bei denen an, die diese Einflussnahme auf Politik und die Vermischung politischer Ziele mit religiöser Ideologie verschleiern wollen. Egal ob Christentum, Islam, Buddhismus oder säkularer Humanismus, die Gestaltung von Politik im Namen bestimmter Weltbilder muss sich in einer toleranten, offenen und pluralen Gesellschaft immer an deren Kompromissen, Freiheiten und Zielen messen lassen. Hier sakrosante Verhältnisse oder Fairness einzufordern, gerade von Vertretern, die ihre religiösen Überzeugungen gerne mittels Amt und (Hoch)Würden in die Gesellschaft tragen, wirkt heuchlerisch.
Die Kritik an Politik darf auch vor religiösen Bekenntnissen nicht Halt machen, wenn diese in machtvollen Positionen dafür sorgen könnten, dass die politische Agenda mit einem Mal davon beeinflusst wird, was gewisse Götter oder deren Vertretende auf Erden für die richtigen Lebensentwürfe ansehen. Das ist politische Religion. Schnittmengen bis Gemeinsamkeiten zwischen säkularen und religiösen Moral- bis Lebensentwürfen darf es und wird es durchaus geben, aber Politik wird in erster Linie von Menschen für Menschen gemacht.
Es ist sehr zu begrüßen, dass die SPD und nicht zuletzt der Kanzlerkandidat Olaf Scholz der Kritik solcher Wahlkampfinhalte die „tolerante und offene Gesellschaft“ entgegen setzen. Es wird sich nicht dafür entschuldigt, dass man politische Religion kritisch sieht. Richtig so!