Am 7. April trafen sich die Bundesprecherinnen und -Sprecher, nebst engagierten Gästen, in Hannover. Erneut öffnete der HVD Niedersachsen, in dem einige Säkulare Sozis mitwirken, seine Räume. Im Zentrum der Diskussionen standen zwei Anträge, die der Sprecherinnenkreis als Leitanträge für das diesjährige Bundestreffen, welches voraussichtlich in Köln stattfinden wird, beschließen sollte. Eines der Papiere widmete sich vor allem der programmatischen Bestimmung säkularer Religions- und Weltanschauungspolitik, die seit dem Roßdorfer Signal sowie den elf Forderungen aus den Zeiten der Laizistinnen wie Laizisten, nötig wurde.
Der Sprecherkreis hat die acht Artikel säkularer Religionspolitik einstimmig beschlossen. Damit liegt ein Leitantrag zur Programmatik der Säkularen Sozis vor, der umfassende Religionsfreiheit, staatliche Neutralität und die Gleichberechtigung der Religionen und Weltanschauungen als erste, leitende Grundprinzipien nennt.
Mit diesem Leitantrag wird die politische Säkularität weder als dezidiert religionsfeindlich oder antikirchlich bestimmt, sondern verweist auf die Gestaltung eines freiheitlichen wie sozialen Raumes, der die Enthaltung des Staates wie der staatlichen Politik gegenüber letzten Wert- und Sinnfragen betont. Die Gestaltung möglichst gleichberechtigter zivilgesellschaftlicher Verhältnisse, zusammen mit größtmöglicher Äquidistanz der staatlichen Institutionen zu allen Weltanschauungen, bekräftigt die Haltung, dass sich Staat und Politik nicht gemein mit einer Religion oder Weltanschauung machen, oder gar selbst zu einer werden sollten.
Das säkulare Selbstverständnis des Staates, der keiner sakralen oder sakralisierten Ideologie bedarf, um seine Bürgerinnen und Bürger als vollwertige Staatssouveräne zu betrachten, erlaubt Glaubens- und Gewissensfreiheit, die auch konfessionsfreien, atheistischen, agnostischen, humanistischen Orientierungen und Minderheitsreligionen vollumfänglich zusteht. Die Interessen dieser oftmals religionspolitisch vernachlässigten Gruppen, sollen innerhalb der Sozialdemokratie mehr Gehör finden.
Die eher der langfristigen Orientierung dienenden Forderungen nach neuen Formen eines integrativen Unterrichtes über Religionen und Weltanschauungen, der Eigenfinanzierung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie des Status der Körperschaft öffentlichen Rechts, eröffnen strittige Themenfelder, für die noch konkrete politische Vorschläge und Reformstrategien erarbeitet werden.
Positionspapier des Bundessprecherkreises für das Bundestreffen der Säkularen im Herbst 2018
Acht Artikel säkularer Religionspolitik – „Mehr Säkularität wagen!“
- Individuelle Religionsfreiheit als Grundprinzip säkularer Religions- und Weltanschauungspolitik
Für säkulare Religionspolitik ist die Religions- und Weltanschauungsfreiheit des Einzelnen Grundprinzip. Im Sinne einer umfassenden Freiheit bedeutet dies, dass sich die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in einer offenen Gesellschaft einer, keiner oder wechselnden Religionen wie Weltanschauungen zugehörig fühlen können. Die individuelle Freiheit ist ausschlaggebend, aus der sich erst die Bedingungen kollektiver Religionsfreiheit ableiten.
- Neutralität des Staates
Der Staat, sein Rechtssystem und die staatliche Politik garantieren in einer säkularen und multireligiösen Gesellschaft die gleiche Distanz des Staates (Äquidistanz) zu allen Religionen und Weltanschauungen.
- Gleichberechtigung der Religionen und Weltanschauungen
Gemäß dem deutschen Grundgesetz (Art. 3,3) darf niemand aufgrund seiner Religion oder Weltanschauung bevorzugt oder benachteiligt werden. Es sind langfristig faire wie gleiche Bedingungen für alle Religionen und weltanschaulichen Orientierungen in Deutschland zu gestalten; Privilegien und Sonderrechte von institutionalisierten Religionen (Kirchen) sind aufzuheben.
- Religion und Öffentlichkeit
Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie Individuen genießen in der zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit dieselben Rechte und unterliegen denselben Pflichten wie andere Bürgerinnen und Bürger, gesellschaftlichen Gruppierungen und Verbände.
- Der Status der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in einer säkularen Gesellschaft
Säkulare Religionspolitik setzt sich im Besonderen für die Rechte von konfessionsfreien, humanistische, agnostischen Gruppierungen und Minderheitsreligionen ein. Alternative Sozialformen von Religionen und Weltanschauungen, jenseits des Kirchenmodells, sind zu ermöglichen. Der bisherige Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts für einige Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, soll langfristig durch eine Regelung auf der Basis des Vereins- und Verbandsrechts ersetzt werden.
- Für integrative religionskundliche und ethische Bildung, statt Spaltung in Konfessionen und Weltanschauungen
Wir wenden uns gegen eine konfessionelle wie weltanschauliche Bildung an staatlichen Schulen, die in konfessionelle Gruppen und Orientierungen trennt und die Gesellschaft spaltet. Schulen, Hochschulen und Bildungseinrichtungen sollen Angebote bereitstellen, die sich an alle Staatsbürgerinnen und -bürger richten. Wir befürworten Formen einer integrativen, gemeinsamen Religionskunde wie eines Ethikunterrichtes. Wir setzen uns für religions- und kulturwissenschaftliche Angebote an Universitäten ein.
- Eigenfinanzierung der Religionen und Weltanschauungen
Die Staatsleistungen der Länder sollen abgelöst, die Steuervorteile, welche über die Belange der Gemeinnützigkeit und der Kulturförderung hinausgehen, beseitigt werden. Das Kirchensteuermodell ist abzuschaffen und durch ein eigenverantwortliches Beitragssystem zu ersetzen.
- Abkehr von Staatskirchenverträgen mit den Religionsgemeinschaften
Vom System der staatlichen Verträge mit den Religionsgemeinschaften ist Abstand zu nehmen. Regelungsbedürftige Fragen im Verhältnis des Staates zu den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sind – wie im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Gruppierungen – durch allgemeine Gesetze zu regeln.
Der Sprecherkreis dankt Johannes Haupt und Adrian Gillmann für die Formulierung des Entwurfes.