Pressemitteilung der Laizistischen SozialdemokratInnen Rheinland-Pfalz
Keine Paralleljustiz:
Rechtsausübung nur im Rahmen der demokratischen Gewaltenteilung
Der Gesprächskreis „Laizistische SozialdemokratInnen in Rheinland-Pfalz“
spricht sich ausdrücklich für eine Rechtsgestaltung durch die Parlamente, eine Rechtsprechung
durch die Gerichtsbarkeit und öffentlich bestellte Schiedsleute und eine Rechtsauslegung
nur durch diese Organe aus.
Wir sind nicht grundsätzlich davon überzeugt, dass parallele Rechtssysteme dem inneren
Frieden dienen. Auch Kirchen- und Sportrecht bereitet häufig Probleme, man denke nur an
den Umgang mit Doping oder an die eingeschränkten Arbeitnehmerrechte bei kirchlichen
Institutionen und Trägern. Die auch in Deutschland teilweise gepflegte Einschaltung der islamischen
Streitschlichtung in der Tradition der Scharia führt häufig genug zum Gebrauch vom
Aussageverweigerungsrecht und zur Regelung von Streitigkeiten nach anderen Regeln wie bspw.
„Die Familie steht über dem Gesetz“ (Arbeitspapier der Bremer Informationsstelle ethnische
Clans / ISTEC).
Wir haben ein Familien-, Erbschafts- und Handelsrecht auf der Basis unseres Grundgesetzes,
über dessen Entwicklung Parlamentarier entscheiden, die vom Volk gewählt wurden. Die
Einführung von weiteren Rechtssystemen – und seien es auch lediglich „vorgeschaltete“ Institutionen
wie Schiedsstellen – kann ja nur bedeuten, dass man bestimmten Gruppen eine
abweichende Regelung von Rechtsfragen zugesteht, sei es in der Rechtsgestaltung, in der
Rechtsprechung oder in der Rechtsauslegung. Wer stellt diese Regelungen auf und wie sind
diese Personen legitimiert? Wer ernennt die „Richter“ oder Schiedspersonen und wie unabhängig
sind sie? Wer überprüft die einzelnen Regelungen und deren Anwendung auf die
Vereinbarkeit mit unserem Grundgesetz und den für alle Menschen garantierten Rechten?
Wer überprüft die Auswirkungen auf die einzelnen Betroffenen, wenn der „Streitschlichter“
nach islamischer Rechtspraxis einen Ausgleich sucht, der eine weitere Verfolgung individueller
Interessen vor ordentlichen Gerichten ausschließt und die Opfer einem inneren Konflikt
zwischen seinen Rechten und den Familieninteressen aussetzt?
Schon jetzt kommt die Scharia auch in unserer Rechtsprechung zum Tragen. Das Recht des
Mannes auf Vielehe etwa wird dabei nicht in Frage gestellt. Da dieses Recht jedoch für Frauen
nicht gleichermaßen gilt, ist schon jetzt fraglich, ob diese Rechtsprechung nicht gegen
Artikel 3 (2) Grundgesetz verstößt. Soweit also zur Widersprüchlichkeit bei der Anwendung
verschiedener Rechtssysteme.
Ein Vorbild wäre Kanada, das für seine Einwanderer grundsätzlich keine ausländischen
Rechtsregeln anerkennt. Voraussetzung dafür ist, dass sich auch Deutschland uneingeschränkt
als Einwandererland versteht.
Noch klarer wäre, die schon in der Weimarer Verfassung verankerte Trennung von Staat und
Kirche (Artikel 140 „Es gibt keine Staatskirche“) endgültig nachzuvollziehen und grundsätzlich
kein Kirchenrecht zuzulassen. Die inneren Regelungen der christlichen Kirchen wären
dann wie bei anderen Körperschaften reines Satzungs- oder Gesellschaftsrecht, also untergeordnet
den allgemein gültigen Gesetzen und Verordnungen. Damit wäre etwa das Betriebsverfassungsgesetz
gültig für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Rechtsprechung
bleibt dann immer dem unabhängigen Gericht vorbehalten oder dem öffentlich bestellten
Schiedsamt auf der Grundlage der jeweiligen Landesgesetze.
Wir sind Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, weil wir den solidarischen,
gerechten und offenen Gesellschaftsentwurf dieser Partei teilen. Daher eröffnen wir
den innerparteilichen Diskurs zur gesellschaftsrelevanten Frage der Trennung von Kirche und
Staat. Wir sind von der klassischen Gewaltenteilung überzeugt – und damit von einer Judikative,
vor der alle Menschen gleich sind. Diesen Gesellschaftsentwurf sehen wir bereits mit
den Rechtsprivilegien der christlichen Kirchen in Frage gestellt, die zunehmende Toleranz für
eine weitere „Paralleljustiz“ auf Grundlage der Tradition der Scharia verursacht uns erhebliches
Unbehagen.
Für den Koordinationskreis
Sozialdemokratische Laizistinnen und Laizisten Rheinland-Pfalz
Kristin Daleiden
Worms, 10.02.2012
Koordinationskreis
Kristin Daleiden, Götz Junk, Oliver Lösch, Andreas Lutz und Tobias Trapp