Kirche auch privilegiert in staatlicher Aufsicht über privaten Rundfunk
(veröffentlicht von Rolf Schwanitz auf seiner facebook-Seite am 20.01.2012)
Heute erhielt ich eine Anfrage, ob sich die Forderung nach religionsfreien öffentlichen Rundfunkanstalten nicht auch auf die Aufsichtsgremien für den privaten Rundfunk beziehen müsste. Ich habe dazu folgendes geantwortet:
Das ist wirklich eine interessante und völlig berechtigte Frage. Zunächst will ich aber noch einmal auf die genauen Forderungen der laizistischen Sozis hinweisen, weil sie mit den Worten „konfessionslose Aufsichtsgremien“ natürlich (das ist kein Vorwurf) nur unzureichend beschrieben werden.
Auf unserer website ist dazu als 10. Forderung zu finden:„Die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind so umzugestalten, dass dort keine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft übermäßigen Einfluss erhält. Solange dort Vertreter/innen der Religionsgemeinschaften sitzen, müssen auch Vertretungen der nicht-religiösen Weltanschauungsgemeinschaften berufen werden. Die Gewährung von Sendezeiten für sogenannte Verkündigungssendungen ist zu beenden. Die Finanzierung von durch kirchliche Medienkonzerne erstelltem Sendematerial ist zu beenden. Öffentlich-rechtliche Kirchenredaktionen wirken in der Regel als verlängerter Arm der kirchlichen Medienarbeit. Die Kirchenredaktionen sind daher aufzulösen und durch Redaktionen zu ersetzen, die sich des gesellschaftlich-kulturellen Themenbereichs von Religionen und Weltanschauungen in journalistisch geeigneter Art und Weise, in ausgewogenem Anteil und mit der gebührenden kritischen Distanz annehmen.“
Da ich mich mit dem Thema „Landesmedienanstalten“ nicht so genau auskenne, habe ich für die Beantwortung also erst einmal ins Internet geschaut. Das war sehr aufschlussreich! Um es vorweg zu nehmen: Ja, die oben für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhobene Forderung muss nach meiner Überzeugung genauso für die staatlichen Aufsichtsgremien beim privaten Rundfunk gelten. Auch dort gibt es eine klare Privilegierung der Religionsvertreter.
Für Sachsen will ich das einmal konkreter machen: Der private Rundfunk wird dort nach dem Sächsischen Privatrundfunkgesetz geregelt. Im § 12 Absatz 2 wird für die Programmgrundsätze ausdrücklich formuliert, dass die Programme die „religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten“ haben. Die weltanschaulichen Überzeugungen der Sachsen sind bei einem geschätzten Anteil von rund 80 % Konfessionsfreien überwiegend nichtreligiöser Art. Das über die Einhaltung dieser Vorschriften wachende Organ ist die Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien. Deren Zusammensetzung hat der Landesgesetzgeber in § 29 Absatz 1 geregelt. Nach Ziffern 3 bis 5 gehören dazu ein Mitglied der evangelischen Kirche, ein Mitglied der römisch-katholischen Kirche und ein Mitglied der israelitischen Kultusgemeinde. Die weltanschauliche Vertretung der mehrheitlich konfessionsfreien Sachsen wurde hingegen „vergessen“ – ihre weltanschauliche Vertretung wird quasi in die Hände von Religionsvertretern gelegt. Das ist absurd und zeigt die faktische Missachtung der mehrheitlich in Sachsen vertretenen Weltanschauungen.
Ich glaube, dass sich die Notwendigkeit für eine stärkere Trennung von Staat und Kirchen in Zukunft auf noch anderen Feldern zeigen wird, die heute noch nicht in unserem Blick sind.
Rolf Schwanitz