Harald Stücker:
Humoristen in der SPD
Eine Meldung von Kamelle.Net
Ein versprengtes Grüppchen antikarnevalistischer Sozialdemokraten wollte einen „Arbeitskreis der Humoristen in der SPD“ gründen. Das Präsidium der SPD hat dies jetzt einstimmig verboten. Vorrangiges Ziel dieser Gruppierung ist die Trennung von Karneval und Staat, insbesondere soll dem Karnevalsverband das durch die Verfassung verbriefte Recht auf Ausübung des Karnevalsunterrichts an öffentlichen Schulen streitig gemacht werden. Stattdessen schwebt den Sektierern ein für alle verpflichtender Humorunterricht vor. Aber, so der Sprecher des Arbeitskreises „Karnevalisten in der SPD“ Thierse, die Verfassungsväter haben sich schon etwas dabei gedacht, als sie die Karnevalsverbände damit beauftragten, unsere Kinder zu humoristischen Werten zu erziehen. Wir wüssten doch alle, wohin es führen könne, wenn der Staat entscheidet, was witzig ist und was nicht.
Der Vorsitzende des Sitzungspräsidiums der SPD Gabriel vermutet, es gehe den Anti-Karnevalisten darum, langfristig „den Karneval aus der Schule zu verdrängen“. Folgte man ihrer Initiative „Pro Humor“, dann könnten die Schüler neben dem Pflichtfach Humor zwar auch noch freiwillig, je nach närrischer Konfession, Kölschen, Düsseldorfer oder Mainzer Karneval zusätzlich wählen, aber, so fragt er: „Wer wird das schon tun?“ Und Recht hat er. So wird dem Verfall karnevalistischer Traditionen und Witze Vorschub geleistet. Karnevalistischer Humor ist anstrengend. Man muss sich schon auf ihn einlassen. Freiwillig macht das wohl keiner. Daher muss unser karnevalistisches Erbe vom Staat in Form eines verpflichtenden Unterrichts subventioniert werden. Denn es ist ja klar, dass unsere Gesellschaft auf den Witzen des Dreigestirns beruht, und nicht etwa auf denen der freigeistigen Humoristen, die sich dem Zeitgeist derart anbiedern, dass sie nicht mal einen Tusch brauchen, damit die Leute lachen.
Die anti-karnevalistischen Genossen verteidigen ihr Vorhaben unter anderem mit dem schwindenden Einfluss des traditionellen Karnevals und mit der angeblichen kulturellen Vielfalt. „An unseren Schulen gibt es inzwischen so viele Schüler aus anderen Kulturkreisen, die ohne närrische Konfession aufwachsen, viele haben überhaupt keinen Humor mehr. Die wissen zum Teil gar nicht mehr, was eine Karikatur ist. Denen müssen wir auch humoristische Werte vermitteln“, so die Freilacher. Wenn es nach ihnen ginge, stünden demnächst also nicht mehr karnevalistische Heilige wie das Colonia Duett, die Höhner oder die Bläck Föös auf dem Lehrplan, sondern klassische Komödienschreiber wie Plautus, Molière oder Goldoni. Von modernen freigeistigen Humoristen ganz zu schweigen, etwa Loriot, Robert Gernhardt, Dieter Nuhr, Monty Python oder, Jungfrau bewahre, Jürgen Becker, der damals mit der Stunksitzung das große Schisma des Karnevals herbeigeführt hatte. In dem jährlichen Hochamt dieser Sekte werden die Werte der karnevalistischen Liturgie immer wieder auf infamste Weise verhöhnt:
Den Einfluss des Festkomitees auf die Politik halten die humoristischen Genossen für anachronistisch: „Auch bei uns gilt ja die Trennung von Karneval und Staat.“ Da irren die Genossen Komiker aber gewaltig: Schließlich gilt hierzulande immer noch das Konkordat zwischen Festkomitee und Deutschem Reich von 1933; darin heißt es in Artikel 21 unmissverständlich: „Karnevalsunterricht ist ordentliches Lehrfach.“ Allein deshalb wird dieser Provinzaufstand wohl kaum Aussicht auf Erfolg haben.
Die Befürworter des überkonfessionellen Humorunterrichts berufen sich gern auf die dunkle Zeit des Karnevals, in der es gefährlich war, nicht mitzuschunkeln. Damals wurden Ketzer, die wieder einmal die humoristische Autorität des Dreigestirns angezweifelt hatten und nach Reformen riefen, auf die Wagen der Rosenmontagszüge gebunden und kamellet, also mit harten Kamellen beworfen (im Fachjargon auch „Wurfmaterial“ genannt). Eine Institution mit einer solchen Geschichte könne wohl kaum die Verantwortung für die Erhaltung unserer Humorwerte tragen, heißt es. Olle Kamelle, sagen da die Vertreter des Dreigestirns. Alle wissen, dass dies eine Verirrung des Karnevals war, und das Festkomitee hat sich doch vor einigen Jahren öffentlich dafür entschuldigt. Was soll es denn noch tun?
Ein anderer Einwand gegen den organisierten Karneval ist die angebliche Frauenfeindlichkeit. Es heißt, dass im Elferrat keine Frau zugelassen sei, und dass selbst die Jungfrau immer von einem Mann gespielt werde, sei diskriminierend. Aber wenn die Jungfrau von einer Frau gespielt würde, wo wäre da der Witz?! (Tätää!) Auch wenn sie im Elferrat nichts zu suchen haben, spielen Frauen im Karneval sehr wohl eine wichtige Rolle. Immerhin beginnt die heiße Phase der Session ja schließlich mit der Übergabe der Macht an die Weiber. (Ist zwar nur symbolisch, aber die sind ja auch alle schon besoffen. – Tätää!) Und was wäre der Karneval ohne die lecker Beinchen von den Funkemariechen?!
Immerzu werden Reformen verlangt. Aber hier geht es um unsere Traditionen! Der Karneval ist ein Fenster in die Geschichte. Hier können wir sehen, worüber die Menschen vor langer, langer Zeit gelacht haben. Er ist geradezu ein lebendiges Zeugnis, ja, eine Offenbarung aus der Vergangenheit. Wo gibt es das sonst noch? Höchstens in der Religion. Und tatsächlich haben Karneval und Religion mehr gemeinsam als nur die lustigen Hüte, wie vor einigen Jahren der Kirchenkardinal Meisner predigte: „Karneval ist in der Kirche Christi geboren, und Karneval bleibt nur Karneval, wenn er mit dem Leben der Kirche fest verbunden bleibt.“ Kein Dreigestirn ohne Dreieinigkeit.
So können wir also auch mit dem Papst sagen, es gehe gerade heute, in dieser Diktatur des humoristischen Relativismus darum, nicht gesichtslos zu werden. Es kann also kein Zweifel bestehen: Der organisierte Karneval ist diejenige Instanz, die geradezu dazu prädestiniert ist, unseren Kindern humoristische Werte zu vermitteln. Was wirklich witzig ist auf der Welt, lernt man am ehesten im Karneval.
(Mit Dank übernommen von Harald Stücker aus seinem Blog)