Gutachten des ifw: Integrative Religions- und Weltanschauungskunde von Rechts wegen möglich

Auf unserem Bundestreffen im November 2017 haben wir uns mit dem Thema Religionsunterricht (RU) in Deutschland befasst. Wir sprachen uns dafür aus, in Deutschland anstelle des Religionsunterrichts eine integrative Religions- bzw. Weltanschauungskunde als schulisches Pflichtfach zu etablieren. Dieses Anliegen ist auch Teil der Grundsätze unserer säkularen Religions- und Weltanschauungspolitik. Wir möchten, dass ein Wissen wie Können bezüglich Religionen, Weltanschauungen und Ethik integrativ und möglichst neutral vermittelt wird. Ansätze hierfür lieferten auch die Impulse der Religionswissenschaftlerin Prof. Wanda Alberts aus Niedersachsen. Neben konfessionellem Religionsunterricht und Ersatz- oder Alternativfächern, besteht angesichts steigender konfessionsfreier Teile in der Bevölkerung, wie auch aufgrund der religiös-weltanschaulichen Vielfalt, ein dringender Bedarf an Bildungspolitik, die auf ein integratives, gemeinsames Lernen abzielt, das verschiedene kulturelle Formen und Erscheinungen von Religionen und Weltanschauungen berücksichtigt, ohne Gesinnungserleben oder Bekenntnisse vorauszusetzen.

Im Zuge dessen hat der SprecherInnenkreis das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) um eine juristische Einschätzung gebeten, unter welchen rechtlichen bzw. verfassungsrechtlichen Voraussetzungen eine solche verpflichtende Religions- bzw. Weltanschauungskunde als Schulfach in den Ländern eingeführt werden könnte. Dabei war insbesondere auch die Frage von Interesse, ob ein solches Vorhaben zwingend einer Grundgesetzänderung bedarf, oder ob dies auch in einzelnen Bundesländern realisiert werden kann, indem Landesverfassungen bei Bedarf geändert und in Schulgesetzen die öffentlichen Schulen als bekenntnisfreie Schulen bestimmt werden.

Nach erfolgreicher Vermittlung durch Rolf Schwanitz, liegt das Gutachten des ifw nun vor, dessen Ergebnis Mut macht, sich politisch für einen integrativen Unterricht zu engagieren. Wir veröffentlichen die Stellungnahme des ifw mit Dank an Dr. Jaqueline Neumann und werden die Erkenntnisse in unserer weiteren politischen Arbeit verwenden.

Dr. Jaqueline Neumann (ifw)_(c)_GerhardLein

Zusammenfassung

Die Einführung eines verpflichtenden Schulfaches Religions- bzw. Weltanschauungskunde ist nach hier vertretener Auffassung ohne eine Grundgesetzänderung möglich.

Je nach Situation im jeweiligen Bundesland, wären die Landesverfassungen und/oder das Schulgesetz anzupassen. Im Rahmen der praktischen Umsetzung könnte überlegt werden, nicht ein zusätzliches Pflichtfach Religions- bzw. Weltanschauungskunde neu einzurichten, son-dern das gegenwärtig bereits bestehende Ersatzfach „Philosophie“ bzw. „Ethik“ zu einem entsprechenden Pflichtfach weiterzuentwickeln, vergleichbar dem Unterrichtsfach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ (LER) im Brandenburgischen Schulgesetz. Eine Befreiungsmöglichkeit von diesem Pflichtfach sollte und müsste es dann allerdings – anders als in Brandenburg – nicht geben, da eine solche das Konzept eines integrativen Religions- bzw. Weltanschauungskundeunterrichts als schulisches Pflichtfach aushöhlte. Würden die öffentlichen Schulen überdies als neutrale Gemeinschaftsschulen (= Bekenntnisfreie Schulen im Sinne des Grundgesetzes) bestimmt, bedürfte es neben dem verpflichtenden integrativen Religions- bzw. Weltanschauungskundeunterricht keines staatlichen Religionsunterrichts mehr.

Doch selbst wenn der hiesigen Auffassung bezüglich der Möglichkeit der Einrichtung Bekenntnisfreier Schulen nicht gefolgt werden würde, könnte ein verpflichtendes Unterrichtsfach Religions- bzw. Weltanschauungskunde an einer Gemeinschaftsschule eingerichtet werden (ebenso wie ein neues Fach Astronomie o.a. eingerichtet werden könnte).

Wegen der Teilnahmefreiheit (Art. 7 Abs. 2 GG) wäre der Religionsunterricht dann ein zusätzlicher Unterricht. Aus pädagogischer Sicht erscheint es – aufgrund des Anstiegs (religiöser) Konflikte bereits an Grundschulen – sinnvoll, das Schulfach Religions- bzw. Weltanschauungskunde nicht nur in weiterführenden Schulen, sondern bereits in Grundschulen einzuführen.

Die vorliegende Stellungnahme wurde auf der Grundlage der Texte von Dr. Gerhard Czermak (https://weltanschauungsrecht.de/lexikon) von Dr. Jacqueline Neumann erstellt.

181029_ifw_Stellungnahme_SPD_integrativer_Unterricht