Roßdorfer Signal: Religion ist Privatsache!
(beschlossen auf dem 2. Bundestreffen in Roßdorf am 13. November 2011)
1. Die Trennung von Staat und Religion ist zusammen mit der Religionsfreiheit eine unverzichtbare Voraussetzung für einen modernen liberalen und demokratischen Rechtsstaat. Religion ist Privatsache; sie muss sich auf den nichtstaatlichen Bereich beschränken.
2. Das derzeitige System der staatlichen Förderung der Religionsgemeinschaften widerspricht dem Verfassungsgrundsatz der staatlichen Neutralität. Die finanzielle Privilegierung sowie die Bevorzugung in anderen gesellschaftlichen Bereichen (u.a. Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften, Einzug der Kirchensteuer durch den Staat, Religionsunterricht an staatlichen Schulen, konfessionsgebundene Theologie an staatlichen Hochschulen, Sonderrechte in den öffentlich-rechtlichen Medien, Subsidiaritätsprinzip im sozialen Bereich zugunsten der Kirchen) sind überholt.
3. Einen besonderen Skandal stellt das kirchliche Arbeitsrecht („Dritter Weg“) dar. Die Verweigerung von Tarifverträgen und eines Streikrechts für Kirchenbeschäftigte sowie das Verbot von Betriebsräten und die Anerkennung kirchenspezifischer Kündigungsgründe wie etwa die Heirat eines geschiedenen Arbeitnehmers sind verfassungswidrig. Ein demokratischer Rechtsstaat darf einen „Staat im Staate“ nicht hinnehmen. Arbeitsrechtliche Gesetze müssen auch für die Kirchen gelten.
4. Mit Sorge registrieren wir eine zunehmende Verquickung von Politik und Religion. Nicht zuletzt der Auftritt des Papstes im deutschen Bundestag ist Beleg für eine Klerikalisierung des politischen Diskurses bei gleichzeitiger Ausgrenzung erheblicher Teile der Bevölkerung wie Konfessionsfreie, Atheisten, Humanisten und Andersgläubige. Wir sind zuallererst Bürgerinnen und Bürger dieses Landes; ob einer Christ, Jude, Muslim, Atheist oder sonst Konfessionsfreier ist, darf in einer säkularen Demokratie keine Rolle spielen.
5. Wir treten für einen laizistisch geprägten Staat ein, den keine gesellschaftliche Gruppe für sich vereinnahmen kann. Wir treten ein für einen Staat, der keine religiösen Zwecke verfolgt und der darauf verzichtet, eine einheitliche politische Gesinnung, einheitlichen Glauben und einheitliche Weltanschauung als seine Grundlage verbindlich zu machen. Die derzeitige Sonderrolle der Religionen in Wertefragen, zum Beispiel in „Ethik-Kommissionen“, ist weder durch ihre Schriften noch durch ihre Praxis zu rechtfertigen. Wir bekennen uns zu einer autonomen, von den Menschen und zwischen den Menschen selbst bestimmten Ethik, die im Gegensatz zu einer Ethik steht, die von einer äußeren Instanz bestimmt wird, sei diese religiös, ideologisch oder politisch motiviert. Wir fordern die Politik und insbesondere die SPD dazu auf, ein modernes Religions- und Weltanschauungsrecht zu entwickeln und auf diese Weise die 1919 stecken gebliebene Trennung von Staat und Religion zu vollenden.
Einstimmig beschlossen auf dem 2. Bundestreffen in Roßdorf am 13. November 2011.