Kritik an einer ideologischen Verzerrung des Reformationsgedenkens 2017
Beschluss auf dem Bundestreffen am 22.11.2014 in Berlin
Die laizistischen SozialdemokatInnen kritisieren die ideologische Verzerrung beim bisherigen Reformationsgedenken 2017. Wir halten fest:
1. Die Evangelische Kirche Deutschlands und die Fördermittelgeber aus Bund, Ländern und Gemeinden sind aufgerufen, die bisherigen Veranstaltungen der Luther-Dekade und die weitere Planung des Reformationsjubiläums inhaltlich auf konfessionelle Verzerrungen und Überhöhungen hin zu überprüfen. Wir fordern dafür die Berufung einer unabhängigen wissenschaftlichen Kommission, die hierzu entsprechende Empfehlungen gibt. Gemeinsames Anliegen aller Beteiligten muss es künftig sein, historische Verzerrungen und Überhöhungen des mit öffentlichen Mitteln geförderten Reformationsgedenkens zu unterbinden und stattdessen eine zeitgemäße, am wissenschaftlichen Erkenntnisstand orientierte Gedenk- und Erinnerungskultur zu pflegen.
2. Wir fordern die Fördermittelgeber aus Bund, Ländern und Gemeinden dazu auf, in zeitlicher Nähe zu den Hauptveranstaltungen des Reformationsjubiläums im Jahre 2017 ein wissenschaftliches Symposium zu Luther und der Reformationsgeschichte aus den bisher veranschlagten Mitteln zu finanzieren. Auf diesem Symposium müssen insbesondere auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit kritischen Bewertungen (zum Beispiel hinsichtlich Luthers Aussagen zu Bauern, Juden oder Türken) einbezogen werden.
3. Wir fordern darüber hinaus die völlige Transparenz über alle von Bund, Ländern und Gemeinden sowie von der Evangelischen Kirche Deutschlands zur Finanzierung des Reformationsgedenkens eingebrachten Mittel.
4. Die laizistischen SozialdemokratInnen lehnen den unter anderem von Hannelore Kraft geforderten bundeseinheitlichen Reformationsfeiertag 2017 ab. Er wird weder der historischen Bedeutung der Reformation noch der kulturellen, religiösen und nichtreligiösen Vielfalt in unserem Lande gerecht.
Begründung:
Die Laizistischen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kritisieren die bisherige Ausgestaltung des Reformationsjubiläums durch die Evangelische Kirche Deutschlands. Das 500jährige Jubiläum des Beginns der Reformation wird wegen deren kulturhistorischer Bedeutung für Deutschland und darüber hinaus in erheblichem Umfang aus öffentlichen Mitteln finanziert. Allein der Bund trägt im Zeitraum von 2008 bis 2017 mit 35 Millionen Euro etwa ein Drittel der Gesamtkosten.
Der Leiter der Geschäftsstelle der Evangelischen Kirche in Deutschland, Prälat Stephan Dogerloh, versicherte vor vier Jahren den Abgeordneten des Deutschen Bundestages in diesem Zusammenhang, die „Luther-Dekade und das Reformationsjubiläum stellten ein gesamtgesellschaftliches Ereignis mit protestantischem Profil, aber ohne protestantische Profilierung dar.“
Bisher haben sich die Erwartungen an eine zeitgemäße Reflexion des Reformationsgeschehens jedoch nicht erfüllt. Im Gegenteil: Tatsächlich erscheinen viele der bisherigen Veranstaltungen der Luther-Dekade als konfessionell verzerrt. Sie werden weit überwiegend als eine Ansammlung von unausgewogenen Werbeevents für den Protestantismus und für die Evangelische Kirche in Deutschland wahrgenommen. Eine wissenschaftlich gesicherte und auch kritische Sicht auf Luther und den Protestantismus (zum Beispiel hinsichtlich Luthers Aussagen zu Bauern, Juden oder Türken) wird dabei allzu oft vernachlässigt, das Wirken Luthers wird heroisiert und die Folgen der Reformation für Politik und Gesellschaft werden überzeichnet. Der emeritierte Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Humboldt-Universität zu Berlin, Heinz Schilling, stellte dazu kürzlich fest, Luther sei aber zu wichtig, als dass man ihn und das Reformationsgedenken den Theologen und der Evangelischen Kirche überlassen dürfe. Dies verbiete sich insbesondere, da die Evangelische Kirche an Sichtweisen festhalte, die sowohl einen zeitgemäßen Blick auf Luther als auch auf die Reformation verstellten.