Beschluss Nr. 3: Wahlprüfsteine 2012

Antrag Nr. 3

Wahlprüfsteine 2012

der sozialdemokratischen Laizistinnen und Laizisten

(beschlossen auf dem 3. Bundestreffen in Berlin am 3.11.2012)

 

Wahlprüfsteine an die Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl des 18. Deutschen Bundestages 

Wahlen zum Deutschen Bundestag sind besondere Ereignisse und Höhepunkte in unserer parlamentarischen Demokratie und für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands.

 

1.

Bereits im Jahre 2010 stellten die Konfessionsfreien die größte Teilgruppe in der weltanschaulichen Bevölkerungsstruktur der Deutschen (2011: konfessionsfrei 37,6 %, evangelisch 29,0 %, katholisch 29,0 % und muslimisch 2,3 %). Trotz des hohen Anteils der Konfessionsfreien an der Gesamtbevölkerung gewährt die Politik der evangelischen und der katholischen Kirche in vielen öffentlichen Gremien einen Gesamtvertretungsanspruch bei weltanschaulichen, ethischen oder moralischen Fragen (Wertemonopol).

Frage:

Halten Sie bei weltanschaulichen, ethischen oder moralischen Fragen eine stärkere Interessenvertretung der Konfessionsfreien für erforderlich und geboten?

 

2.

Noch heute, im Jahr 2012, gibt es in Deutschland im sogenannten „Dritten Weg“ über eine Million Arbeitsplätze, bei denen Juden, Muslime, Buddhisten und auch Menschen ohne Konfession nicht eingestellt werden. Zugleich werden Erzieherinnen und Erzieher, Krankenpflegerinnen und -pfleger, Bürokräfte, Ärztinnen und Ärzte sowie andere Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen entlassen, wenn ihr Kirchenaustritt oder der Wechsel zu einer anderen Glaubensrichtung bekannt wird, wenn sie nach einer Scheidung erneut heiraten oder sich öffentlich zu einer homosexuellen Partnerschaft bekennen.

Frage:

Sind Sie im Falle Ihrer Wahl bereit, religiöse Diskriminierungen in der Arbeitswelt zu beenden, das Antidiskriminierungsgesetz (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) so zu ändern, dass solche Ungerechtigkeiten abgebaut werden und der gleiche Diskriminierungsschutz auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst eröffnet wird?

 

3.

Noch heute, im Jahr 2012, gilt die aus der Adenauer-Zeit kommende Festlegung, dass Diakonie und Caritas, anders als die AWO, nicht nur Tendenzbetriebe gem. §118 Abs. 1 sind und das Betriebsverfassungsgesetz durch Abs. 2 vollständig ausgehebelt wird. Deshalb müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dort in Krankenhäusern, Altenheimen oder Sozialstationen ihr Privatleben an kirchlichen Vorgaben ausrichten und zum Beispiel auf Mitbestimmung und Streikrecht verzichten.

Frage:

Sind Sie im Falle Ihrer Wahl bereit, die im Grundgesetz verankerten Arbeitnehmerrechte auch in Einrichtungen der Diakonie und der Caritas wirksam werden zulassen und das Betriebsverfassungsgesetz entsprechend zu ändern?

 

4.

Noch heute, im Jahr 2012, werden allzu oft religiöse Gebote über grundlegende Menschenrechte gestellt – wie im Fall der religiös motivierten, medizinisch nicht indizier­ten Beschneidung von Kindern. In einem säkularen Rechtsstaat sollten jedoch die Grundrechte, hier das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, für alle Menschen – egal welcher Religion oder Weltanschauung – gelten.

Frage:

Werden Sie sich im Fall Ihrer Wahl dafür einsetzen, dass die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte Vorrang vor religiösen Geboten haben?

 

5.

Noch heute, im Jahre 2012, erhalten die beiden christlichen Kirchen besondere staatliche Zuwendungen und Privilegien, die mit der 1803 erfolgten Eingliederung der kirchenfürstlichen Ländereien in das weltliche Eigentum (Säkularisation) begründet werden. Auf diesem Wege werden in Deutschland bis heute insbesondere Klerikergehälter direkt oder indirekt durch den Staat finanziert. Im Gegensatz dazu wird das seit 1919 bestehende verfassungsrechtliche Gebot, alle auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften abzulösen (Art 140 GG i.V.m. Art. 138 Weimarer Reichsverfassung), regelmäßig ignoriert. Diese Regelung des Grundgesetzes ist bisher nicht erfüllt.

Frage:

Sind Sie im Falle Ihrer Wahl bereit, eine Initiative zur Ablösung der besonderen Staatleistungen an Religionsgesellschaften zu unterstützen und damit dem Gebot des Grundgesetzes zu entsprechen?