Geht es um einen „Feiertag für alle“ ist in Schleswig-Holstein und Hamburg die Sache entschieden. Der Kieler Landtag hat, mit wenigen Enthaltungen, beschlossen, dass der 31. Oktober als Reformationstag künftig Feiertag ist. Als einziger Abgeordneter der SPD-Fraktion hat sich Tobias von Pein der Stimme enthalten (s.u.), um auf die kritische Einordnung der Reformation, jenseits ihrer Romantisierung, hinzuweisen. Statt eines stark religiös konnotierten Feiertags, plädierte er für einen „weltlichen Feiertag“, der auch eine entsprechende Vermittlung in die Gesamtgesellschaft ermöglicht hätte.
Als säkularer Sozialdemokrat hätte ich einen weltlichen Feiertag für zeitgemäßer und in diesem Haus auch mehrheitsfähig gehalten!
Der Tag der Landesverfassung oder Tag des Kieler Matrosenaufstandes wären eindeutig bessere Alternativen gewesen.
In Hamburg ist es den religionslobbyistischen Kreisen gelungen eine Mehrheit von 66 Abgeordneten zu organisieren, indem der „Tag der Reformation“ als quasi-säkulares historisches Ereignis gedeutet wird. Museen sollen an diesem „Reformationstag für alle“ kostenfrei zu besuchen sein und ein interreligiöses Feiern wird angestrebt. Eine historisch sicherlich nicht völlig falsche Einordnung, die jedoch mögliche säkulare Entwicklungen, mit wie durch und gegen die Reformation, gleich einem schmückend‘ Beiwerk zur Kenntnis nimmt. Immerhin ist es gelungen Widerstand sowie kritische Stimmen zu organisieren, wie SPD und Grünen-Abgeordnete, die für den internationalen Frauentag am 8. März plädierten, die Linke, die den 8. Mai als Tag der Befreiung feiern wollte sowie andere, die den 23. Mai als Tag des Grundgesetzes bevorzugten. Die FDP und sogar der katholische Erzbischof Hamburgs, Stefan Heße, wunderten sich sehr über die fehlende kritische Debatte.
„Ich respektiere natürlich die Entscheidung des Parlaments, einen evangelisch-lutherischen Feiertag besonders zu schützen. Nach wie vor bin ich jedoch sehr irritiert darüber, dass gerade im politischen Raum offensichtlich keine Zeit war, um sich mit den unterschiedlichen Ansichten zu diesem Thema auseinanderzusetzen und eine breite gesellschaftliche Diskussion herbeizuführen.“ (Stefan Heße)
Damit ist die Diskussion im Norden jedoch nicht abgeschlossen, denn in Niedersachsen wird voraussichtlich im April entschieden und die Präsidentin des Hannover Landtags, Gabriele Andretta (SPD), wirbt für den 8. März und damit den Internationalen Frauentag als Alternative zum 31. Oktober. Abgeordnete aus ihrer Fraktion sowie der Grünen und der Linken möchten „ein starkes Zeichen für Gleichberechtigung und Solidarität setzen“.
In Bremen sind sowohl der 8. März (Weltfrauentag) als auch der 8. Mai (Tag der Befreiung) von einer parlamentarischen Mehrheit abgelehnt worden. Bei der zweiten Lesung im März verbleibt damit der Reformationstag alternativlos und wird wohl von einer Mehrheit der Abgeordneten verabschiedet. Verbleibt damit für Säkulare nur die Möglichkeit, den Reformationstag als „Halloween“ zu feiern? Grundsätzlich gibt es, bis auf Einschränkungen hinsichtlich strafbewehrter Tanzverbote, keinerlei staatliche Vorgaben, wie die gesetzlichen, arbeitsfreien Feiertage zu begehen sind. Dies ermöglicht eine Feiertagsfreiheit, die gerade in einer säkularen wie multireligiösen Gesellschaft zu begrüßen ist. Niemand wird gezwungen einen „religiösen Feiertag“ auch als solchen anzusehen.
Eine von offiziellen Repräsentaten feierlich zelebrierte Bedeutsamkeit von Feiertagen, wie im Falle des Reformationstages, ist nicht einfach auf die Überzeugungen von Bürgerinnen und Bürger übertragbar. Umfragen zu inhaltlichen Bedeutungen betreffen oftmals kein spezifisches Wissen, sondern Selbsteinschätzungen, und mit Pfingsten wie dem Reformationstag wissen ungefähr gleichviel Menschen etwas anzufangen, wie mit „Halloween“.
Bedauerlicherweise wird von Seiten politischer Repräsentanten oftmals keine eigenständige Feiertagspolitik vertreten, die sich von vorhandenen oder imaginierten Lobbyinteressen frei macht.
Dies kritisieren auch Religionsgemeinschaften, wie die jüdische Gemeinde, oder der muslimische Theologe Mouhanad Khorchide, der den internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember für eine sinnvolle Alternative hält, damit weltanschauliche Vielfalt und Gleichberechtigung gewahrt bleiben.
Ich spreche hier bewusst von Weltanschauung und nicht allein von Religion, um niemanden auszuschließen. Auch diejenigen nicht, für die der Glaube keine Bedeutung hat. Daher halte ich es auch nicht für sinnvoll, einen gemeinsamen interreligiösen Feiertag einzuführen. Eine überzeugende Alternative sehe ich vielmehr in dem Vorschlag, den Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember als gemeinsamen Feiertag für alle einzuführen. (Mouhanad Khorchide)
Es folgt abschließend ein Interview mit Tobias von Pein, Landtagsabgeordneter der SPD in Schleswig Holstein.
Schleswig-Holstein hat sich, bis auf ein paar Enthaltungen, für den Reformationstag als neuen Feiertag ausgesprochen. Wie beurteilst Du die Debatte? In Hamburg hat sogar der katholische Erzbischof die Schnelligkeit oder die mangelnde Tiefe der demokratische Debatte über mögliche Alternativen beklagt.
Wir hatten die Diskussion als SPD relativ früh angestoßen und auch andere Alternativen ins Spiel gebracht. Ich hatte den Eindruck, dass auch die Anhörung dazu im Ausschuss relativ breit war. Doch war zu dem Zeitpunkt noch nicht abzusehen, dass auf einer ganz anderen Ebene – nämlich der der Ministerpräsidenten kurzfristig eine Einigung erzielt wurde.
Du hast Dich der Stimme enthalten, auch mit dem Hinweis, dass mögliche weltliche oder nicht religiös begründete Feiertage wichtig sind. Wie repräsentativ sind für Dich die Begründungen von Feiertagen mit Blick auf die Gesamtbevölkerung?
Sie können natürlich immer nur einen ganz bestimmten Teil repräsentieren. Beim Reformationstag wird aus meiner Sicht zu viel hineininterpretiert und auch romantisiert. Denn sozialer und gesellschaftlicher Fortschritt wurde ja nicht allein durch das Anschlagen der 99 Thesen erzielt, sondern war und ist immer menschengemacht.
Wie bewertest Du die Abstimmung in Hamburg, wo immerhin noch der Weltfrauentag, der Tag der Befreiung und der Tag der Grundrechte zur Debatte standen?
Das war eine Debatte, wie ich sie mir auch in SH gewünscht hätte. Leider gab es für so ein Ansinnen zu wenige Abgeordnete um entsprechende Gruppenanträge zu stellen. Am Ende blieb nur noch der SSW übrig, der noch offen für alternative Vorschläge war.
In Hamburg wird versucht den Reformationstag nicht nur als christlich-religiösen Feiertag anzusehen. Wie wichtig ist es, auch auf säkulare Aspekte der Reformation hinzuweisen, wie erste Ansätze moderner Religionsfreiheit und die Wahrnehmung von weltanschaulicher Vielfalt?
Man darf nicht ausblenden, dass viele dieser Entwicklungen zwar eine Folge der Reformation waren, jedoch auch nicht zur Romantisierung neigen. Da wurde mir in den letzten Monaten viel zu viel hineininterpretiert. Genauso wichtig wäre es übrigens, auch auf die judenfeindlichen Äußerungen Luthers hinzuweisen und welche Folgen das hatte.
Trotz den parlamentarischen Mehrheiten wurde in Kiel wie Hamburg und wird noch in Niedersachsen wie Bremen abschließend beraten. Welche Möglichkeiten ergeben sich Deiner Meinung nach für die Artikulation säkularer Ziele? Lohnt sich die kritische Feiertagsdebatte?
Es ist durchaus notwendig, sich kritisch in solche Debatten einzubringen, vor allem wenn es um die Interpretation bestimmter Tage geht. Ich bin aber skeptisch ob es sinnvoll ist, dies als ein Hauptfeld der politischen Auseinandersetzung zu betrachten.