Pressemitteilung zum Urteil des Bundesverfassungsgericht

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist für Betroffene enttäuschend

Plauen, 25.11.2014

Das Bundesverfassungsgericht hat sich unlängst mit der Kündigung eines Arztes in einem katholischen Krankenhaus wegen seiner Wiederverheiratung als Geschiedener befasst. Im hierzu am 22. Oktober in Karlsruhe ergangenen Beschluss wird das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, welches dem Arzt in seiner Kündigungsschutzklage Recht gegeben hatte, aufgehoben.

 

Diese verhängnisvolle Überinterpretation des Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 WRV ist erst Mitte der 80er Jahre begründungslos vom Verfassungsgericht selbst vorgenommen worden. Tatsächlich weist der Artikel 137 Abs. 3 WRV aber den Religionsgemeinschaften lediglich das Recht zu, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbst zu ordnen und zu verwalten. Ein Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ist aus diesem Ordnungs- und Verwaltungsrecht aber nicht abzuleiten. Diese Fehlinterpretation wurde auch beim jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht korrigiert.

Kritikwürdig am jüngsten Beschluss ist auch die weite Auslegung des kirchlichen Bereichs. Das kirchliche Selbstordnungs- und Verwaltungsrecht soll sich danach nicht nur auf den verkündungsnahen Bereich der Kirchen erstrecken. Auch alle weiteren Einrichtungen seien unabhängig von ihrer Rechtsform davon erfasst. Lediglich bei ganz überwiegender Gewinnerzielung befinde sich eine Organisation der Kirchen außerhalb dieses Privilegs. Damit ignorieren die Verfassungsrichter, dass sich auch die sozialen Einrichtungen der Kirchen und ihrer Träger längst fast vollständig aus öffentlichen Geldern bzw. Geldern der Sozialversicherungen finanzieren. Hier den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den allgemeinen Rechtsschutz zu verwehren, ist deshalb falsch und unzeitgemäß.

Ein kleiner Lichtblick im Beschluss der Verfassungsrichter findet sich lediglich im Bereich der Güterabwägung, denn Karlsruhe macht ausdrücklich klar, dass das kirchliche Selbstordnungs- und Verwaltungsrecht nicht schrankenlos gilt. Es gilt nur in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Deshalb können im Einzelfall zum Beispiel der Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6 Abs. 1 GG) oder der Vertrauensschutz (Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 GG) überwiegen und den Beschäftigten vor der beeinträchtigenden Entscheidung der Kirchen schützen. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass der hier gekündigte Arzt im erneuten Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gegenüber der katholischen Kirche Rechtsschutz erhält.

Wir halten fest: Der jüngste Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat die Benachteiligungen der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen nicht beendet. Die Arbeit bei kirchlichen Arbeitgebern bleibt vorerst für den Einzelnen eine Beschäftigung mit weniger Rechten, schwächerem Rechtsschutz und der latenten Gefahr der Diskriminierung. Gerade deshalb ist auch unser Einsatz für eine rechtliche Gleichstellung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterhin erforderlich.

Rolf Schwanitz, Nils Opitz-Leifheit

(Bundessprecher)

ViSdP: Nils Opitz-Leifheit Hauflerweg 10, 71336 Waiblingen http://www.laizistische-sozis.eu