Ein Kommentar von Dr. Lale Akgün (NRW) und Adrian Gillmann (BaWü)
Wer in den 90er-Jahren erwachsen genug war, kennt noch den Spruch „Aus Raider wird jetzt Twix, … sonst ändert sich nix“, denn das Marketing des beliebten Schokoriegels aus den USA sollte damals auch im deutschsprachigen Raum vereinheitlicht werden.
Nun ist der Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) kein Schokoriegel und die Entscheidung vom 19. September 2021, sich in „Zentralrat der Konfessionsfreien“ umzubenennen, ist mehr als Marketing. Es ist eine strategische Selbstermächtung von und für Säkulare.
Schon in dem Interview mit dem Korso-Vorsitzenden Rainer Rosenzweig im hpd wird deutlich, dass es um eine eindeutige Interessensvertretung in den Medien, der Gesellschaft und vor allem gegenüber der Politik geht. Um diese zu stärken ändert sich einmal die Struktur, denn es wird einen Verbands- sowie einen Expertenrat geben und mit Philipp Möller, dem langjährigen GBS-Beiratsmitglied, Pädagogen und Autor von „Gottlos Glücklich“ (2017), gibt es sogar in Zukunft einen politischen Repräsentaten. Dieser Entscheidung, endlich eine politische Lobbyorganisation zu werden, gingen zahlreiche Diskussionen voraus.
Wie ist man auf diesen Namen gekommen? Vom Zentralrat der Muslime weiß man, dass sie den Namen bewusst an den Zentralrat der Juden angepasst haben; der Name Zentralrat der Juden klang so seriös, diese Assoziation wolle man auch für den eigenen Verein auslösen – wie ein Gründungsmitglied selbst sagte. Der PR -Gag war erfolgreich, heute hält man den Zentralrat der Muslime für den wichtigsten Vertreter der Muslime. Will sich der Zentralrat der Konfessionslosen am Zentralrat und seinem erfolgreichen Vorsitzenden Ayman Mazyek orientieren? Dann viel Glück. Mal sehen, ob die Nummer zweimal funktioniert!
Auch ist der Verweis auf die „Konfessionsfreien“ wiederum gegenüber Säkularen und Humanisten mehrdeutig, oder jedenfalls sehr über die Negation religiöser Konfession an den Begriff des „Bekenntnis“ gebunden.
Bei aller begrifflichen Bedenklichkeit ist dieser Schritt jedoch zu begrüßen, denn viel zu lange schon werden die Interessen der Säkularen von der offiziellen Religionspolitik der Parteien kaum vertreten, wie beispielsweise im Bericht „Gläserne Wände“ oder dem Artikel „Stiefkind Religionspolitik“ nachzulesen ist.
Politisch mit einer Stimme zu sprechen, oder es über eine Lobbyorganisation zu versuchen sich gezielt Gehör zu verschaffen, ist in Zeiten einer pluralen Öffentlichkeit und der wechselnden Wählerschaften von Parteien, eine Möglichkeit, um aus Einzelinteressen Gruppeninteressen zu machen. Folglich ändert sich mit dem „Zentralrat der Konfessionsfreien“ nicht viel an den Themen sowie Forderungen, die Säkulare, Humanisten und Konfessionsfreie vertreten, sehr wohl aber einiges an der Art und Weise, wie es getan wird!
Das säkulare Engagement in Parteien und Verbänden kann nun auf einen „Zentralrat“ verweisen, der als Lobby- und Repräsentationsplattform gleichermaßen funktionieren kann. Wichtig ist, dass Zusammenarbeit und Transparenz großgeschrieben werden und gegenseitig Aufmerksamkeit erzeugt wird. Schließlich muss nicht überall wo „Zentralrat“ draufsteht nur „Zentralrat“ drin sein.