Dr. Lale Akgün und Adrian Gillmann beantworten im aktuellen DIETZ&Das-Podcast „Die Krise der katholischen Kirche und der Staat“ die Fragen des Berliner Journalisten Markus Frenzel und nehmen Stellung zum Missbrauchs-Skandal in Köln und der Publikation der Säkularen Sozis.
Dr. Lale Akgün (NRW): „Warum konnte in der katholischen Kirche jahrelang der sexuelle Missbrauch verschwiegen werden? Und nicht nur der sexuelle Missbrauch! Warum kann in der katholischen Kirche alles, was nicht den selbstgesetzten Normen entspricht, unter den Tisch gekehrt werden?
Die Antwort ist einfach: die katholische Kirche ist ein geschlossenes System, das alle Prozesse intern organisieren kann und darf und mit der Außenwelt die Kontakte so gestaltet, wie es ihr passt. Dazu dienen neben dem streng hierarchischen Aufbau, das eigene Kirchenrecht, der Reichtum und die Überhöhung der Institution in der Wahrnehmung der Gesellschaft.
Wer sich auf Gott beruft und den Schutz der Kirche und ihrer Regeln höherstellt als die Menschen, für die sie angeblich da sein will, ist zu Bigotterie und Doppelmoral verdammt. Denn die Menschen, die die Kirche repräsentieren, sind kein bisschen besser als der Durchschnitt der Gesellschaft. Den Preis für den Graben zwischen Sein und Schein müssen die Menschen bezahlen, die der Kirche und ihren Dienern vertrauen.
Das Problem kann erst gelöst werden, wenn die katholische Kirche von dem hohen Ross absteigt, auf dem sie sich wähnt. Demut sollte man nicht nur predigen, sondern auch vorleben.“
Adrian Gillmann (BaWü): „Der aktuelle Skandal um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Köln zeugt erneut von einem enormen Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust einer der größten Religionsgesellschaften in Deutschland. Das verwundert leider insofern nicht, da die Kirche grundsätzlich ein Problem mit Wissenschaft und Demokratie hat.
Einmal sind wissenschaftliche oder juristische Gutachten nur genehm, wenn deren Inhalte in die eigene Strategie der Immunisierung gegen Kritik passen. Das hat sich schon 2013 im Umgang mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer und dem Kriminologischen Institut Niedersachsen gezeigt, als die wissenschaftliche Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Kirche einseitig aufgekündigt wurde.
Eine Bevorzugung von Begutachtung nach Gutsherrenart hat sich durch die Zurückhaltung des ersten von Kardinal Woelki in Auftrag gegebenen Gutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl erneut bestätigt. Gern gesehen sind hingegen fachliche Beiträge aus dem katholischen Milieu, da solche Expertise oftmals mehr Rücksicht auf die Mutter Kirche nimmt.
Die katholische Kirche ist zudem eine feudalistisch-absolutistische Organisation, die sich zwar einen demokratischen Anstrich gegeben hat, weil Pfarrgemeinderäte und Diözesanräte gewählt werden, aber weitestgehend beratende Funktion haben. Der Klerus wird durch eine streng hierarchische Zentrale in Rom ernannt und behält die wichtigsten Entscheidungsebenen in seiner Hand. Es ist höchste Zeit, dass Staat und Politik auf den neuen Skandal in Köln reagieren und ihr Verhältnis zur Kirche endlich säkularen wie demokratischen Verhältnissen anpassen.“