Einen spannenden Abend bot am 13. Februar unsere Vorsitzende Lale Akgün zirka 50 Zuhörer- und schauer*innen auf Einladung des Säkularen Forums Hamburg e.V. im Kulturzentrum Barmbek°Basch. Was als eine Lesung aus ihrem Buch „Platz da – Hier kommen die aufgeklärten Muslime“ angekündigt war, entpuppte sich als eine ausgesprochen ernsthaft-kurzweilige Revue über die muslimische Szene in unserem Lande. Schon der Auftritt einer solch lebendigen mit Charme und Witz und Sachverstand ausgestatteten Muslima möchte manche irritieren, die vielleicht allzu wohlfeilen Stereotypen anhängen. Anhand ihres reichen beruflichen Erfahrungsschatzes als promovierte Psychologin und Therapeutin, sowie den Erlebnissen aus zwei Legislaturperioden als Kölner Abgeordnete für die SPD im Bundestag, wusste sie politisch und persönlich die muslimischen Realitäten in unserem Lande darzustellen.
Von ca. 5 Mio. Zuwanderern aus mehrheitlich muslimischen Ländern seien allenfalls 1 Mio. in sog. Moscheevereinen organisiert, die mit starker Unterstützung des Auslandes deren Islambild in die deutsche Öffentlichkeit tragen. Und diese Beeinflussung sei konservativ. Warum solle denn das saudische Königshaus, oder das Regime in Iran, oder der in der Türkei gewählte Despot Erdoğan eine liberale Form des Islam unterstützen, die sie im eigenen Lande ablehnen? Und leider sehe die bundesdeutsche Öffentlichkeit und insbesondere unsere politischen Entscheidungsträger just diese Organisationen als Partner für die Kooperation, wenn es um die Frage der Integration von Zuwanderern in unser Land, unser Gesellschaftssystem und unsere Grundwerte geht.
Die enge Verflechtung von erforderlichen Integrationsbemühungen mit den konservativen muslimischen Religionsverbänden fördere den orthodoxen Islam und mache ihn zugleich zur Projektionsfläche für eine reaktionäre Partei, die mit dem Slogan wirbt so eine muslimische Präsenz im Lande nicht zu wollen. Dabei seien liberale Strömungen im Islam seit hunderten Jahren bekannt.
Die Bektaschi-Bewegung vor 800 Jahren z.B., die Auslöser für die heutige Gruppierung der Aleviten in der Türkei war, wird dort hartnäckig verfolgt gerade auch unter der gegenwärtigen Regierung. Wer sagt hierzulande – so möchte ich ergänzen, dass die Bibel mit all ihren unsäglichen Grausamkeiten im Alten wie im Neuen Testament noch wörtlich zu nehmen ist. Aber die hiesigen Islamverbände verbreiten, dass der Koran nur auf Arabisch Gültigkeit habe und als Religionsbuch für Wüstenbewohner wörtlich zu nehmen sei. Bezüge zu Lebensbedingungen und kulturellen Entwicklungen der Länder, in denen Muslime leben, würden genauso abgelehnt wie ein wirkliches Bekenntnis zu unseren Grundrechten. Da spielt dann immer der Spagat zur sogenannten Kairoer Erklärung der Menschenrechte von 1990 eine Rolle, von der orthodoxe Islamverbände sich nicht befreien wollen.
Anregungsreich war die anschließende ausführliche Diskussion, in die sich auch Necla Kelek und Ali Ertan Toprak als Teilnehmer*in des Abends einbrachten und von der Gründung des Vereins Säkulare Muslime e.V. berichteten.
Gerhard Lein