Ein Kommentar unserer Sprecherin Lale Akgün zur 4. Deutschen Islamkonferenz (DIK).
Die Deutsche Islamkonferenz in Berlin hat in neuer Zusammensetzung stattgefunden. Neben den „traditionellen“ Teilnehmer wie die Vertreter der Islamverbände, waren auch der liberale islamische Bund, aber auch kritische Einzelpersonen eingeladen. Kurzfristiges Ziel der „neuen“ Islamkonferenz: der Dialog unter den Muslimen. Langfristiges Ziel: Ein Dachverband aller deutschen Muslime, ich als Säkulare würde lieber aller „muslimischen Deutschen“ sagen. Als säkulare Person war ich nicht allein. Wir Säkularen, die zur Islamkonferenz eingeladen waren, hatten uns im Vorfeld der Konferenz zur „Initiative säkularer Islam“ zusammengeschlossen.
Das war ein ganz wichtiges Momentum. Auch wenn wir Unterzeichner nicht immer einer Meinung sind, diese historische Chance, in Deutschland einen säkularen Islam zu manifestieren, haben wir uns nicht entgehen lassen.
Warum ist das eine historische Chance gewesen?
Erstens kann man liberalen Islam nicht mit säkularem Islam gleichsetzen und zweitens gibt es in der islamischen Welt keine Säkularität, wenn man mal von der Türkei und Bosnien absieht. Aber auch da werden die Stimmen, die einen Scharia-Staat wollen, immer lauter.
Die Initiative „säkularer Islam“ hat – das kann man mit recht behaupten – der ganzen Veranstaltung ihren Stempel aufgedrückt. Warum? Weil es für die Orthodoxen eine Revolution bedeutet.
Wie sagte der türkische Staatspräsident Erdogan bei einer Rede in Istanbul: „Man kann entweder ein Laizist sein oder ein Moslem, beides zusammen geht nicht. Warum nicht? Wenn Du ein Moslem bist, dann weißt Du, dass die Macht dem Schöpfer der Muslime, Allah, gehört. Es heißt ja immer ‚Die Macht gehört ohne Wenn und Aber dem Volk‘ (Anm: Dieser Satz stammt von Atatürk). Das ist falsch! Die Macht gehört ohne Wenn und Aber Gott!“
Nun, man kann davon ausgehen, dass diese Gedanken den orthodoxen Muslimen nicht fremd sind.
Das heißt: es war zu erwarten, dass die Initiative säkulare Muslime Aufmerksamkeit erregen würde. Ob sie auch akzeptiert wurde von den anderen Teilnehmern, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Die Antwort lautet klipp und klar: Nein. Genannt sei in diesem Zusammenhang die scheinheilige Frage eines Teilnehmers, Daniel Bax, seines Zeichens Autor und Journalist, was denn politischer Islam sei. Nun, ich interpretiere diese Frage als Verteidigung des orthodoxen Islams. Da gibt es eben keine Differenzierungen. Es gibt eben nur den einen, „richtigen“ Islam, der alle Bereiche des Lebens umfasst und nicht unterscheidet zwischen Religion als Privatsache und als politisches Instrument. Als ob er es nicht wüsste! Solche provokanten Fragen sollen wahrscheinlich vom Kernproblem des Islams ablenken, dass er nämlich politisch wird, solange er die Säkularität nicht prioritär anerkennt.
Es ging lautstark zu zwischen den orthodoxen, liberalen, säkularen und den liberal-säkularen Muslimen. Einen gemeinsamen Nenner gab es nicht.
Mein Eindruck ist: Die Orthodoxen sind nicht bereit, auch nur einen Millimeter von ihren Positionen abzurücken. Auch nicht bei den praktischen Fragen wie Imamenausbildung oder Idschaza (Anm.: Lehrerlaubnis für islamische Religionslehrer). Geschweige denn, bei gesellschaftlichen Fragen.
Sie sind auch nicht bereit, die Liberalen und die Säkularen als weitere Strömungen innerhalb des Islams anzuerkennen. Das Theater, das um die auf dem abendlichen Empfang servierte Blutwurst und die Rocklänge der NRW Staatssekretärin Serap Güler veranstaltet wurde, zeigt, dass der orthodoxe Islam noch meilenweit entfernt ist von einer Akzeptanz anderer islamischer Auslegungen. Sie wollen um jeden Preis die Deutungsmacht des Islam in der Hand behalten. Was diese Definitionsmacht so schwierig macht, habe ich oben bereits erwähnt: sie definieren den Islam immer noch als eine alles umfassende Religion – Glaube und islamisch genormte Lebensweise sind untrennbar.
Was bleibt den Säkularen in dieser Situation übrig? Es hat keinen Sinn, auf die Orthodoxen zuzugehen und über Kompromisse zu diskutieren. Sie werden einen Kompromiss nicht akzeptieren. Es bleibt nur der eigene Weg mit einer eigenen Auslegung des Islams. Schwierig, mitunter gefährlich, aber unausweichbar.
Der deutsche Islam, der immer wieder diffamiert wird als eine Erfindung der Regierung, braucht noch viel Zeit. Möglicherweise wird er sich neben dem orthodoxen Islam etablieren: als säkularisierte und liberale Auslegung des Islams. Warten wir die nächsten Treffen der Deutschen Islamkonferenz ab. Man darf gespannt sein.